Mars Live
Schirme stehen in ständiger Verbindung mit Mission Design (oder zumindest sollten sie das! fügte sie im stillen hinzu) und mit unserem Büro in Beverly Hills. Doch sie werden zunehmend überflüssig, je weiter wir uns von der Erde entfernen. Wenn wir den Mars erreicht haben, werden die Radiowellen fünfzehn Minuten in jede Richtung brauchen, um die Strecke zurückzulegen, so daß eine normale Unterhaltung unmöglich ist. Und jetzt, warten Sie bitte…«
Durch Drehung eines Rheostats dämpfte sie das Licht und erleuchtete das Plexiglas. Die Presseleute hielten hörbar die Luft an, als die Wand zu verschwinden schien und es aussah, als befänden sie sich unmittelbar im Raum, ohne etwas zwischen ihnen und den Eis-auf-Samt-Sternen oder der blauen, grinsenden Erde unter und hinter ihnen. Die Reporter griffen nach dem nächsten Stück des Rohrs oder nach dem nächststehenden Kollegen, um Halt zu suchen.
Selbst Glamour japste. Hinter ihnen wirkte das blaugrüne Licht wie lebendig – und warum auch nicht? Es wurde von Wolken und Wellenkämmen und – weißlicher – von knirschenden Gletschern reflektiert und in den Weltraum zurückgeschleudert.
Vor ihnen war eine so weite Dunkelheit, daß hundert Millionen feuriger Riesensonnen nur noch wie Lichtpunkte erschienen.
Natascha Kirow drehte den Regler wieder zurück und verdunkelte das Plexiglas. Ein erleichtertes Aufatmen war zu hören: sie waren wieder ›innen‹.
»Auf Wiedersehen, meine Damen und Herren. Danke, daß Sie gekommen sind. Doktor Jeffries wird Sie, sobald er seine Tasche verstaut hat, zur Luftschleuse bringen, wo Ihr Shuttle wartet, um Sie wieder hinunter zur Nixon-Station und von dort zum Flughafen Orange County zu bringen.«
»Sie meinen, zum John Wayne International«, sagte National Geographic.
»Wohin auch immer.«
10
AAA OOO GAAA
Der zehnminütige Alarm klang für Natascha Kirow weit entfernt, als ob er dem Abschied von jemand anderem oder dem Auslaufen eines anderen Schiffes gälte. Während der letzten beiden Stunden, seit die Presseleute abgeladen worden waren, war die Atmosphäre auf der Mary Poppins etwa auf ein Drittel der Erdatmosphäre gesunken (250 mm Quecksilbersäule oder 333 dyn pro Quadratzentimeter), wie sie während der ganzen Reise beibehalten werden würde. Die dünnere Luft erschwerte das Sprechen oder das Anhören von Rock ’n’ Roll ohne Kopfhörer und machte ein Flüstern unmöglich.
Gute Reise, Marsreisende! flackerte auf dem Bildschirm der Brücke auf, eine Botschaft von Markson. Bass und Natascha Kirow warfen sich einen Blick zu und stöhnten auf. Wußten denn diese Hollywood-Typen nicht, daß Gute-Reise-Wünsche Unglück brachten?
»Macht’s gut. Wir sehen uns auf dem Raumfahrer-Ball«, ertönte eine vertraute Stimme. Johnson hatte sich in die Sprechanlage eingeschaltet, um den traditionellen Hals-und-Beinbruch-Wunsch durchzugeben. »Klar doch.« Die beiden klangen gleich, obwohl Natascha Kirow direkt in dem Sitz neben ihm saß, während Johnson auf der Alten Pagode von Moulmein 12,1 Meilen weit entfernt war, gerade eben außerhalb der 12-Meilen-Sicherheitsgrenze, die für freie Nuklearoperationen festgesetzt war.
»Klar doch«, sagte auch Bass.
AAA OOO GAAA
»Noch fünf Minuten. Vorbereiten für Delta-V-Posi-tion.«
Die Stimme der Kirow hatte eine neue Schärfe bekommen.
Johnson hielt die geliehene Zoomlinse hoch und beobachtete, wie die kleinen Dampfwolken aus dem OMS pufften, während sich die Mary Poppins in die Position für Delta V brachte. Der Nuklearantrieb des Schiffs war zu mächtig für derart kleine Manöver. Er würde in acht Minuten zünden, mit einem 5-Ge-Schub, der die Mary Poppins in 11,5 Minuten auf MTI-Geschwindigkeit beschleunigen würde.
Mars. Johnson spürte einen Stich des Neids, aber nur einen ganz kurzen Stich. Es war nicht mehr wie in den alten Zeiten. Johnson war noch ein kleiner Junge gewesen, als Armstrong auf dem Mond herumspaziert war, doch er erinnerte sich daran, wie er es gemeinsam mit dem Rest der Welt im Fernsehen mitangesehen hatte. Jetzt kümmerte sich niemand mehr darum, mit Ausnahme der Zeitschriften. Die Presseleute filmten den Aufbruch des Schiffs, doch die Nachrichten würden nichts darüber bringen, es sei denn, das Schiff würde explodieren.
»Wären Sie gern dabei?« fragte National Geographic. Der Reporter stand zusammen mit Johnson auf der Brücke der Pagode. »Mein Chef hat von mir verlangt, daß ich darum bitte, mitgenommen zu werden, aber ich bin
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