Mars Live
war eine Tür ohne Luftschleuse. Natascha Kirow mußte mit einem Schraubenschlüssel dagegenschlagen, um sie zu öffnen. Sie ging hinein und zog einen Raumscooter heraus. Er war wie ein radloses Motorrad geformt, mit einem langen, mit Velcro überzogenen Sitzkissen, einem an der Lenkstange angebrachten Suchscheinwerfer und einem Hydrazin-Treibstoff-system. Sie steckte eine Batteriezelle hinein und sah zu, wie die Lichter angingen. Sie war auf so einem Ding seit zwanzig Jahren nicht mehr geflogen. Ihr strahlendes Grinsen erhellte das Innere ihres Helms, während sie sanft auf den Sitz hinter sich klopfte.
Fonda-Fox winkte Glamour zu, der jetzt von der Brücke aus filmte, während sie mit brummendem Motor in den Raum davonschwirrten.
Phobos war zu klein, um ihn im Raum in einer gleichmäßig gekurvten Flugbahn zu umrunden, deshalb beschrieb Natascha Kirow ein halbes Fünfeck mit einer Seitenlänge von jeweils fünfzehn Kilometern um die düstere Kartoffel von einem Mond. Fonda-Fox hatte den Eindruck, daß sie seitwärts schlitterten und überhaupt nicht vorankamen. Es gab keine Merkmale auf der Phobosoberfläche, an denen sie ihr Weiterkommen hätten feststellen können, sondern nur dunkelgraue Krater, mit dunkelgrauem Staub bedeckt. Alles sah gleich aus. Dann erschien plötzlich über dem grauen Horizont in grellem Weiß die Landefähre.
»Wie heißt sie?« fragte Fonda-Fox.
»Ziolkowski. Konstantin Ziolkowski.« Sie war nach dem Vater der sowjetischen Raketenforschung benannt, doch in Wirklichkeit war sie in diesem Stadium nichts anderes als ein Gleiter. Sie glich einer stumpfen Nadel und hatte die Größe und Form der alten DC-3-Flugzeuge ohne die Flügel. Ihr dreieckiger Schwanz, tief am hinteren Ende angesetzt, war kleiner als die Flosse einer Rakete. Ihr schmaler, gerader Flügel, noch einmal so lang wie der Rumpf, lag drehbar längs an seinem Rücken an. Unter der Nase verlief eine Scheibe von etwa sechs Metern Durchmesser wie eine Radarschüssel. Der stumpfe Schwanz war mit einem stromlinienförmigen Kegel abgedeckt, der umgedreht zum Schubtrichter des Haupttriebswerks würde. Zur Durchführung von Orbitalmanövern und der Zündung zum Verlassen des Orbits waren kleine Feststoffraketen an Nase und Flügel angebracht. Trotz dieser Ausbuchtungen wirkte die knochenweiße Ziolkowski schlank und strahlend gegen den düsteren Vampirmond des Mars.
Es gab nur eine Luftschleuse, weit vorn, direkt hinter dem Flugdeck. Sie schlossen sie, zogen die Raumanzüge jedoch nicht aus. Während Natascha Kirow die Treibstoffzellen auffüllte und die automatische Systemüberprüfung in Gang setzte, sah sich Fonda-Fox im Schiff um. Während die Mary Poppins im Plüsch-Stil ausgestattet war, war die Ziolkowski eher karg eingerichtet. In dem winzigen Flugdeck in der Nase waren nur zwei Sitze. Dahinter waren zwei weitere Netz-Röhren-Liegen an einer rotierenden Strebe befestigt. Auf jeder Seite der leeren Hauptkabine gab es ein kleines quadratisches Fenster. Im hinteren Teil, hinter dem letzten Schott, sah ein Gewirr aus Pumpen und Röhren und Seilen und Leitungen und Schläuchen ebenso unglaublich kompliziert aus wie die Takelage eines Segelklippers. Fonda-Fox schwebte zurück und las die WAR-NUNG-Schilder und VORSICHT-Aufkleber. Er betrachtete das vordere Ende eines uralten Rocketdyne-Motors aus dem zwanzigsten Jahrhundert.
»Der F-1«, erklärte die Kirow. »Der stärkste und zuverlässigste Raketenmotor, der jemals gebaut wurde. Der Chrysler Hemi des Weltraums. Die Ziolkowski verläßt den Orbit mit einer abwerfbaren Feststoffrakete und gleitet dann im Segelflug hinunter. Gute altmodische NASA-Technologie. Dann holt sie der F-1 wieder rauf. Ohne Flügel und Hitzeschild wiegt sie nur neuntausendsechshundert Pfund, auf dem Mars anderthalb Tonnen.«
»Aber fehlt da nicht etwas?« fragte Fonda-Fox.
»Die Toilette bringen wir mit«, sagte Natascha Kirow. »Sie ist noch im Stauraum von HAB No. 3. Und auch die Küche und das dazugehörende Zeug.«
»Ich meine den Treibstoff.«
»Der Treibstoff wartet auf der Oberfläche. Diesel plus Flüssigsauerstoff. Sie stehen auf dem Tank. Wir wohnen in ihm, solange wir uns auf der Oberfläche befinden, dann teilen wir ihn – zwei Drittel für Diesel und ein Drittel für LOX, also flüssigen Sauerstoff. Dann setzten wir das Schiff auf seinen Schwanz und fliegen hinaus, wobei wir alle in das gequetscht sind, was jetzt das Flugdeck ist. Also in diesen kleinen Raum da drüben.«
»Sieben
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