Mars Trilogie 1 - Roter Mars
Tag erreichen könnte.«
»Ist es für Staubstürme nicht etwas früh?« fragte Arkady.
»O nein, wir sind bei L s = 240, das ist die übliche Jahreszeit dafür. Jedenfalls gibt es ihn, und er kommt in eure Richtung.«
Er übermittelte ein Satellitenfoto des Sturms, und sie studierten ihren Fernsehbildschirm eingehend. Die Gegend südlich von Tharsis war jetzt durch eine amorphe gelbe Wolke verdeckt.
»Wir sollten lieber gleich nach Hause starten«, sagte Nadia nach eingehender Betrachtung.
»Bei Nacht?«
»Wir können die Propeller nachts mit Batterien laufen lassen und diese dann morgen früh wieder aufladen. Wir werden nicht viel Sonnenlicht haben, sofern wir nicht über den Staub gelangen können.«
Nach einiger Diskussion mit John und dann mit Ann legten sie ab. Der Wind trieb sie nach Ostnordost, und bei diesem Kurs würden sie direkt zum Südhang des Olympus Mons gelangen. Sie hofften, danach um die Nordflanke von Tharsis herumzukommen, die sie wenigstens für einige Zeit vor dem Sturm schützen würde.
Bei Nacht erschien das Fliegen lauter. Das Rauschen des Windes über den Stoff der Hülle war ein fluktuierendes Stöhnen und der Klang ihrer Motoren ein jämmerliches kleines Brummen. Sie saßen im Cockpit, das nur durch schwach leuchtende grüne Instrumentenlichter erhellt war, und sprachen mit gesenkter Stimme, während sie sich über das dunkle Land in der Tiefe bewegten. Sie mußten etwa 3000 Kilometer zurücklegen bis Underhill. Das bedeutete etwa dreihundert Stunden Flugzeit. Wenn sie rund um die Uhr fuhren, wären das ungefähr zwölf Tage. Aber der Sturm würde, wenn er in dem üblichen Maße zunahm, sie lange davor erreichen. Danach... Es war schwer zu sagen, wie es gehen würde. Ohne Sonnenlicht würden die Propeller die Batterien erschöpfen und dann...
»Können wir einfach mit dem Wind treiben?« fragte Nadia. »Die Propeller für gelegentliche Richtungsschübe benutzen?«
»Vielleicht. Aber diese Dinge sind so konstruiert, daß die Propeller zum Auftrieb beitragen.«
»Ach ja.« Sie machte Kaffee und brachte zwei Becher davon ins Cockpit. Sie saßen da, tranken und schauten auf die schwarze Landschaft oder den grünen Wischer auf dem kleinen Radarschirm. »Wahrscheinlich müßten wir alles abwerfen, das wir nicht brauchen. Besonders diese verdammten Windmühlen.«
Die Stunden der Nacht zogen sich hin. Sie wechselten sich am Steuer ab, und Nadia konnte eine Stunde lang unruhig schlafen. Als sie wieder ins Cockpit kam, sah sie, daß der größte Teil von Tharsis über den Horizont vor ihnen gerutscht war. Die zwei nördlichen der drei Hauptvulkane, Ascraeus Mons und Pavonis Mons, waren fern am Ende der Welt als Klumpen zu erkennen, welche die Sterne nahe dem Horizont verdeckten. Zu ihrer Linken ragte Olympus Mons noch immer über den Horizont; und wenn man die anderen beiden Vulkane hinzunahm, war es so, als flögen sie in einem gigantischen Canyon. Der Radarschirm gab das Bild im kleinen wieder, mit grünen Linien auf dem Netz des Schirms.
Dann, in der Stunde vor der Dämmerung, schien es, als ob sich ein anderer mächtiger Vulkan vor ihnen erheben würde. Der ganze südliche Horizont hob sich, tiefstehende Sterne verschwanden vor ihren Augen. Orion ertrank in Schwärze. Der Sturm kam.
Er erwischte sie gerade bei Tagesanbruch, erstickte das Rot am Osthimmel, überrollte sie und tauchte die Welt in rostfarbene Dunkelheit. Der Wind frischte auf.
Er fuhr an den Fenstern der Gondel vorbei mit dumpfem Gebrüll und dann laut heulend. Staub flog mit erschreckender, unwirklicher Geschwindigkeit an ihnen vorbei. Dann wurde der Wind noch heftiger, und die Gondel hüpfte auf und ab, wenn das Gerüst des Luftschiffs hin und her verdreht wurde.
Sie hatten insofern Glück, als sie nach Norden wollten. Arkady sagte: »Hoffentlich bewegt sich der Wind um die Nordschulter von Tharsis.«
Nadia nickte schweigend. Sie hatten keine Gelegenheit gehabt, die Batferien nach dem nächtlichen Flug wieder aufzuladen, und ohne Sonnenlicht würden die Motoren nicht sehr viel länger laufen. Nadia sagte: »Hiroko meinte, daß das Sonnenlicht während eines Sturms ungefähr fünfzehn Prozent seiner normalen Stärke erreichen dürfte. In der Höhe würde es mehr sein. Also werden wir etwas nachladen können; aber das wird nur langsam gehen. Es könnte sein, daß wir im Laufe der Fahrt bei Tag gerade genug bekommen, um die Propeller bei Nacht zu betreiben.« Sie rechnete es mit dem Computer aus. Irgend etwas in
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