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Mars Trilogie 1 - Roter Mars

Mars Trilogie 1 - Roter Mars

Titel: Mars Trilogie 1 - Roter Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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beurteilte.
    Sie waren keineswegs alle Astronauten oder Kosmonauten, obwohl es etwa je ein Dutzend davon gab, wobei viel mehr oben im Norden auch dazu gehören wollten. Aber die Mehrzahl der Kolonisten mußten Experten auf Gebieten sein, die erst nach der Landung ins Spiel kämen: Medizin, Computertechnik, Systementwurf, Robotik, Architektur, Areologie, Biosphärenplanung und Biologie. Ebenso jede Art von Ingenieurwesen und mancherlei Konstruktionserfahrungen. Diejenigen, die es bis Antarctica geschafft hatten, waren eine beeindruckende Gruppe von Experten in den relevanten Wissenschaften und Berufen; und sie verbrachten einen guten Teil ihrer Zeit damit, sich gegenseitig etwas beizubringen, um auch auf sekundären und tertiären Gebieten etwas darzustellen.
    Und all ihre Aktivität spielte sich ab unter dem ständigen Druck von Beobachtung, Bewertung und Beurteilung. Das war notwendigerweise eine anstrengende Prozedur. Sie bildete einen Teil des Testes. Michel Duval merkte, daß das ein Fehler war, da es zu Zurückhaltung und Mißtrauen bei den Kolonisten führen konnte und die große Verträglichkeit verhinderte, die das Auswahlkomitee suchte. Tatsächlich eine der vielen doppelten Bindungen. Die Kandidaten ihrerseits schwiegen über diesen Aspekt, und er machte ihnen daraus keinen Vorwurf. Man konnte keine bessere Strategie wählen, als eine doppelte Bindung bot. Sie sicherte Ruhe. Sie konnten es nicht wagen, jemanden zu beleidigen oder sich zu viel zu beklagen. Sie konnten es nicht riskieren, sich sehr zurückzuziehen. Sie würden sich keine Feinde machen.
    Also kamen sie tüchtig und perfekt voran, um durchzuhalten, aber auch normal genug, um hinzukommen. Sie waren alt genug, um eine Menge gelernt zu haben, aber jung genug, um die physischen Härten der Arbeiten durchzustehen. Sie waren hinreichend motiviert, um sich auszuzeichnen, aber genügend entspannt, um gesellig zu sein. Und sie waren verrückt genug, um die Erde für immer verlassen zu wollen, aber vernünftig genug, um diese fundamentale Verrücktheit zu verbergen und sie in der Tat als reine Rationalität, wissenschaftliche Wißbegier oder etwas Derartiges zu verteidigen - was der einzig akzeptable Grund für diesen Wunsch zu sein schien. Somit behaupteten sie, die wissenschaftlich neugierigsten Leute in der Geschichte zu sein. Aber natürlich mußte noch mehr daran sein. Sie mußten irgendwie entfremdet sein, entfremdet und einsam genug, um sich nicht darum zu kümmern, jeden für immer hinter sich zu lassen, den sie gekannt hatten - und dennoch verbunden und sozial genug, um mit allen ihren neuen Bekanntschaften in Wright Valley auszukommen, mit jedem Mitglied des kleinen Dorfes, welches die Kolonie bilden würde. Oh, die doppelten Bindungen waren endlos!
    Sie mußten gleichzeitig sowohl außergewöhnlich sein und extra-außergewöhnlich. Ein unmögliches Unterfangen, aber doch eine Aufgabe, die ein Hindernis für ihren größten Herzenswunsch darstellte und zu einer Quelle von Besorgnis, Furcht, Groll und Wut machte. All diesen Stress zu besiegen...
    Aber auch das war ein Teil der Prüfung. Michel konnte nicht umhin, mit großem Interesse zu beobachten. Manche versagten, auf die eine oder andere Weise zerbrochen. Ein amerikanischer Thermalingenieur wurde zunehmend introvertiert, zerstörte dann einige ihrer Rover und mußte mit Gewalt in Gewahrsam genommen und entfernt werden. Ein russisches Paar verliebte sich ineinander und hatte dann einen so heftigen Streit, daß sie einander nicht mehr ausstehen konnten und beide ausschieden. Dieses Melodram erläuterte die Gefahren einer schiefgehenden Romanze und machte alle anderen in dieser Hinsicht sehr vorsichtig. Es entwickelten sich immer noch Beziehungen; und bis sie Antarctica verließen, hatte es drei Heiraten gegeben. Und diese glücklichen sechs konnten sich in gewisser Weise >sicher< fühlen. Aber die meisten waren so darauf versessen, auf den Mars zu kommen, daß sie diesen Teil ihres Lebens im Zaum hielten und höchstens diskrete sexuelle Partnerschaften pflegten, die in manchen Fällen jedermann verborgen blieben, sonst aber nur vor dem Auswahlkomitee geheimgehalten wurden.
    Und Michel wußte, daß er nur die Spitze des Eisbergs sah. Er wußte, daß in Antarctica hinter seinem Rücken kritische Sachen passierten. Beziehungen hatten ihren Anfang. Und bisweilen bestimmt der Anfang einer Beziehung, wie der Rest laufen wird. In den kurzen Stunden von Tageslicht könnte jemand das Lager verlassen

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