Mars Trilogie 1 - Roter Mars
jene, die sie beeinflußten.
Sie schaute sich um und entdeckte ihren Gegenspieler, Frank Chalmers. In Antarctica hatte sie ihn nicht besonders gut kennengelernt. Ein hochgewachsener, großer, dunkelhäutiger Mann. Er war recht redselig und unglaublich energisch, aber schwer zu durchschauen. Sie fand ihn attraktiv. Sah er die Dinge ebenso wie sie? Sie hatte das nie herausfinden können. Er sprach gerade quer durch den Raum mit einer Gruppe und hörte auf seine scharfe unergründliche Art zu, den Kopf zur Seite geneigt und bereit, mit einer geistvollen Bemerkung dazwischenzufahren. Sie müßte über ihn mehr herausfinden. Und überdies würde sie mit ihm auskommen müssen.
Sie ging durch den Saal, hielt neben ihm an, so daß ihre Oberarme sich fast berührten. Sie neigte den Kopf seinem zu. Eine kurze Geste an ihre Kameraden: »Das wird lustig werden, meint ihr nicht auch?«
Chalmers sah sie an und sagte: »Es geht gut.«
Nach der Feier und dem Essen wanderte Maya, die nicht schlafen konnte, durch die Ares. Sie alle hatten schon einige Zeit im Weltraum verbracht, aber nicht in so etwas wie der Ares, die wirklich enorm war. Am Bugende des Schiffs befand sich eine Art Penthaus, ein einziger Tank wie ein Bugspriet, der in der umgekehrten Richtung wie das Schiff rotierte, so daß er stillstand. Instrumente zur Sonnenbeobachtung, Radioantennen und alle anderen Geräte, die am besten ohne Rotation arbeiteten, waren in diesem Tank untergebracht; und ganz an der Spitze war ein kugliger Raum aus transparentem Kunststoff, der Blasenkuppel genannt wurde. Er lieferte der Besatzung einen schwerelosen, sich nicht drehenden Anblick der Sterne und eine Teilansicht des großen Schiffs.
Maya schwebte zur Fensterwand dieser Blasenkuppel und blickte neugierig auf das Schiff zurück. Dies war unter Verwendung der Außentanks von Raumfähren erbaut worden. Um die Wende des Jahrhunderts hatten NASA und Glavkosmos angefangen, kleine Schubraketen an den Tanks zu befestigen und sie alle in eine Umlaufbahn zu stoßen. Dutzende von Tanks waren so losgeschickt worden. Dann hatte man sie zu Arbeitsstellen geschleppt und in Gebrauch genommen. Man hatte daraus zwei große Raumstationen gebaut, eine Station im Librationspunkt L5, eine Station in der Mondumlaufbahn, das erste bemannte Marsvehikel und Dutzende unbemannter Frachter zum Mars. Im Laufe der Zeit einigten sich die zwei Behörden auf den Bau der Ares, die Benutzung der Tanks war zur Routine geworden, mit standardisierten Kopplungselementen, Innenräumen, Antriebssystemen und so weiter. Der Bau des großen Schiffs hatte weniger als zwei Jahre gedauert.
Es sah aus wie aus einem Baukasten für Kinder, indem Zylinder an ihren Enden verbunden waren, um kompliziertere Figuren zu bilden. In diesem Falle waren es acht Hexagone zusammengefügter Zylinder, die man Torusse nannte, auf gereiht und in der Mitte durchzogen von einem zentralen Nabenschacht aus einem Bündel von fünf Reihen Zylindern. Die Torusse waren mit der Nabe durch dünne begehbare Speichen verbunden; und das ganze Objekt sah aus wie eine Art landwirtschaftlicher Maschine, etwa der Arm eines Mähdreschers oder eine mobile Beregnungsanlage. Oder wie acht wulstige Krapfen, auf einer Stange aufgespießt, dachte Maya. Genau das, was einem Kind gefallen würde.
Die acht Ringwülste waren aus amerikanischen Tanks angefertigt, und die fünf gebündelten Längen des Zentralschachts waren russische. Beide Arten von Tanks waren ungefähr fünfzig Meter lang und hatten einen Durchmesser von zehn Metern. Maya schwebte ziellos die Tanks des Nabenschachts hinab. Das dauerte lange, aber sie hatte es nicht eilig. Sie gelangte in Torus G. Dort gab es Räume aller Formen und Größen, bis hin zum größten, der ganze Tanks beanspruchte. Der Boden in einem davon, den sie passierte, befand sich genau unter der Markierung der Hälfte, so dass sein Inneres einer langen Nissenhütte ähnelte. Aber die meisten Tanks waren in kleinere Räume unterteilt. Sie hatte gehört, daß es davon über fünfhundert gäbe, wodurch der gesamte Innenraum ungefähr einem großen Stadthotel entsprach.
Würde das aber genügen?
Vielleicht würde es das. Nach der Antarktis war das Leben auf der Ares wie eine kostspielige, labyrinthische und luftige Erfahrung. Ungefähr um sechs an jedem Morgen erhellte sich die Dunkelheit in den Wohntorussen langsam zu einer grauen Dämmerung; und um sechs Uhr dreißig etwa markierte ein plötzliches Hellwerden
Weitere Kostenlose Bücher