Mars Trilogie 1 - Roter Mars
mit den gleichen alten Gesichtern. Das verstärkt nur die alten Trennungen zwischen uns.«
»Vielleicht sollten wir vorschlagen, die Hälfte der Zimmer zu tauschen.«
Arkady, der sein Frühstücksbrötchen verschlang, beugte sich vom Nachbartisch herüber und sagte: »Das genügt nicht«, als ob er die ganze Zeit an ihrer Unterhaltung teilgenommen hätte. Sein roter Bart, der jeden Tag wilder aussah, war mit Krumen bestäubt. »Wir sollten jeden zweiten Sonntag zum Umzugstag erklären und alle veranlassen, die Wohnungen auf Zufallsbasis zu wechseln. Die Leute würden mehr von den anderen kennenlernen, und es gäbe weniger Cliquen. Und der Begriff von Eigentum an den Räumen würde gemindert.«
»Aber ich mag gern einen Raum besitzen«, sagte Nadia.
Arkady erledigte ein weiteres Brötchen und grinste beim Kauen. Es war ein Wunder, daß er durch das Auswahlkomitee gekommen war.
Aber Maya trug das Thema bei den Amerikanern vor; und obwohl niemandem Arkadys Plan gefiel, leuchtete ihnen ein einmaliger Austausch der Wohnungen als gute Idee ein. Nach einigen Beratungen und Diskussionen wurde der Umzug vorgesehen. Er fand an einem Sonntagmorgen statt, und danach war das Frühstück etwas mehr kosmopolitisch. Morgens im Speisesaal D waren jetzt auch Frank Chalmers und John Boone, sowie Sax Russell, Mary Dunkel, Janet Blyleven, Rya Jimenez, Michel Duval und Ursula Kohl dabei.
John Boone erwies sich als Frühaufsteher und erschien noch vor Maya im Speisesaal. »Dieser Raum ist weit und luftig, man hat dabei wirklich das Gefühl, im Freien zu sei«, sagte er eines frühen Morgens von seinem Tisch aus, als Maya hereinkam. »Viel besser als der Saal von B.«
Maya erwiderte: »Der Trick dabei ist, alles Chrom und weißes Plastik zu entfernen.« Ihr Englisch war ziemlich gut und wurde schnell noch besser. »Und dann die Decke wie echten Himmel zu bemalen.«
»Nicht einfach monoton blau, meinst du?«
»Ja.«
Er war, wie sie dachte, ein typischer Amerikaner: schlicht, offen, geradeheraus, entspannt. Und dennoch war dieses Exemplar eine der berühmtesten Personen der Geschichte. Das war eine unausweichliche, gewichtige Tatsache; aber Boone schien sich davon zu drücken, um mit den Füßen auf dem Boden zu bleiben. Wenn er sich um den Geschmack eines Brötchens oder irgendeine Nachricht auf dem Bildschirm des Tisches kümmerte, erwähnte er nie seine frühere Expedition. Und wenn jemand dieses Thema anschnitt, sprach er davon, als unterschiede es sich nicht von den übrigen Flügen, die er gemacht hatte. Aber so war es nicht, und nur seine Lässigkeit ließ es so erscheinen. Jeden Morgen am gleichen Tisch lachte er über Nadias lahme technischen Witze und nahm an der Unterhaltung seinen Anteil. Nach einiger Zeit mußte man sich anstrengen, die ihn umgebende Aura zu sehen.
Frank Chalmers war interessanter. Er kam immer spät und setzte sich für sich allein hin. Aufmerksamkeit schenkte er nur seinem Kaffee und dem Tischschirm. Nach einigen Tassen pflegte er mit den Leuten in der Nähe zu plaudern - in einem häßlichen, aber brauchbaren Russisch. Die meisten Frühstücksgespräche in Halle D waren jetzt zu Englisch übergegangen, um es den Amerikanern zu erleichtern. Die linguistische Lage war wie eine Reihe ineinander geschachtelter Puppen: Englisch umfaßte alle, darin war Russisch und darin die Sprachen des Commonwealth und dann die der Internationalen. Acht Personen an Bord waren idiolinguistisch, nach Mayas Ansicht eine Art von Verwaisung. Diese waren mehr zur Erde ausgerichtet als die übrigen und standen in häufiger Kommunikation mit den Leuten daheim. Es war drollig, daß ihr Psychiater auch zu der Kategorie zählte.
Jedenfalls war Englisch die Lingua franca des Schiffs, und Maya hatte zuerst geglaubt, daß dies den Amerikanern einen Vorteil gäbe. Aber dann merkte sie, daß diese, wenn sie redeten, immer auf gleichem Fuß mit jedermann waren, während der Rest mehr private Sprachen hatte, zu denen sie umschalten konnten, wenn sie wollten.
Frank Chalmers war allerdings von diesem allen die Ausnahme. Er sprach fünf Sprachen, mehr als sonst jeder an Bord. Und er hatte auch keine Angst, sein Russisch zu benutzen, obwohl es sehr schlecht war. Er stieß einfach Fragen heraus und horchte auf die Antworten mit einer wirklich bohrenden Intensität und einem schnell und heftig ausbrechenden Lachen. Er war ein auf vielfache Weise ungewöhnlicher Amerikaner, dachte Maya. Zuerst schien er alle entsprechenden Merkmale zu haben.
Weitere Kostenlose Bücher