Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mars Trilogie 1 - Roter Mars

Mars Trilogie 1 - Roter Mars

Titel: Mars Trilogie 1 - Roter Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
Vom Netzwerk:
einer der Ersten Hundert ihnen sagen würde. Er war ein Relikt aus der Vergangenheit, eine Person der Geschichte, er war zehn Jahre früher auf dem Mars gewesen, als einige der Zuhörer geboren wurden, und seine Erinnerungen an die Erde stammten aus großelterlicher Zeit, jenseits einer weiten und düsteren Kluft von Jahren.
    Die Griechen der Antike hatten richtig die Größe und Proportionen für einen einzelnen Sprecher getroffen. Er brauchte kaum die Stimme zu erheben, und alle konnten ihn hören. Er erzählte ihnen einige der üblichen Dinge, seine Standardansprache, alles gestückelt und zensiert, da es durch laufende Ereignisse jämmerlich zerfetzt worden war. »Seht«, sagte er, während er die Gesichter in der Menge erforschte und krampfhaft revidierte und extemporierte, »als wir hier ankamen, war es ein anderer Ort, eine andere Welt; und das macht uns notwendigerweise zu anderen Menschen, als wir vorher waren. Keine der alten Direktiven der Erde spielen mehr eine Rolle. Wir werden unausweichlich eine neue Marsgesellschaft begründen. Das liegt in der Natur der Dinge. Sie entsteht aus den Entscheidungen, die wir zusammen treffen, aus unserer kollektiven Tätigkeit. Und das sind Entscheidungen, die wir in unserer Zeit treffen, in diesen Jahren, in diesem Augenblick. Aber wenn ihr euch in die Wildnis verdrückt und euch einer der verborgenen Kolonien anschließt, dann isoliert ihr euch selbst! Ihr bleibt, was immer ihr wart, als ihr kamt, und verwandelt euch nie in einen Menschen des Mars. Und ihr beraubt auch uns übrigen eurer Erfahrung und eures Beitrags. Ich kenne das persönlich, glaubt mir!« Er wurde von Schmerz durchdrungen und war darüber erstaunt.
    »Wie ihr wißt, sind einige der Ersten Hundert als erste verschwunden, vermutlich unter Führung von Hiroko Ai. Ich verstehe immer noch nicht, warum sie das taten, wirklich nicht. Aber wie sehr haben wir ihren Genius für Systemplanung in der Folgezeit vermißt. Das kann ich euch versichern! Ich glaube, man kann tatsächlich sagen, daß ein Teil unserer jetzigen Schwierigkeiten aus ihrer Abwesenheit in diesen vielen Jahren resultiert.« Er schüttelte den Kopf und versuchte, seine Gedanken zu sammeln. »Als ich zum ersten Mal diesen Canyon sah, in dem wir uns befinden, war ich mit ihr zusammen. Es war eine der ersten Erkundungen dieses Gebietes, ich hatte Hiroko an meiner Seite, und wir blickten in diesen Canyon hinunter, seinen ebnen und kahlen Boden; und sie sagte zu mir: >Das ist wie der Fußboden eines Zimmers. <«
    Er sah sein Publikum an und suchte sich an Hirokos Gesicht zu erinnern. Ja... nein. Seltsam, wie man sich an Gesichter erinnerte, bis man sie im Geist vor sich zu sehen bemüht war, als sie sich von einem abgewendet hatten. »Ich habe sie vermißt. Ich komme hierher, und es ist unmöglich zu glauben, daß es derselbe Ort ist, und so... fällt es mir schwer zu glauben, daß ich sie wirklich gekannt habe.« Er machte eine Pause und versuchte, sich auf ihre Gesichter zu konzentrieren. »Versteht ihr?«
    »Nee!« kläfften einige.
    Er war verwirrt und ärgerte sich wieder. »Ich sage, wir müssen hier einen neuen Mars schaffen! Ich sage, wir sind völlig neue Wesen und daß hier nichts dasselbe ist. Nichts ist dasselbe!«
    Er mußte aufgeben und sich setzen. Andere Redner folgten, und ihre dröhnenden Stimmen ergossen sich über ihn, während er wie gelähmt dasaß und über das offene Ende des Amphitheaters in einen Park locker gepflanzter Sykomoren blickte. Dahinter schlanke weiße Gebäude mit Bäumen auf Dächern und Balkons. Eine Vision in Grün und Weiß.
    Er konnte es ihnen nicht sagen. Niemand konnte es ihnen sagen. Nur Zeit und der Mars selbst. Und in der Zwischenzeit würden sie in offenem Widerspruch zu ihren eigenen materiellen Interessen handeln. Es war immer wieder dasselbe. Aber wie konnte das nur sein? Warum waren die Menschen so blöd?
    Er verließ das Amphitheater und ging durch den Park und die Stadt. Über sein Armband fragte er Slusinski: »Wie können Menschen gegen ihre eigenen offenkundigen Interessen handeln? Das ist Wahnsinn! Marxisten waren Materialisten. Wie haben die das erklärt?«
    »Ideologie, Sir.«
    »Aber wenn die materielle Welt und unsere Art, damit umzugehen, alles andere bestimmen, wie kann da Ideologie aufkommen? Woher, sagen sie, ist sie gekommen?«
    »Einige von ihnen haben Ideologie als eine imaginäre Beziehung zu einer realen Situation definiert. Sie haben zugegeben, daß Ideologie eine mächtige

Weitere Kostenlose Bücher