Mars Trilogie 1 - Roter Mars
traten haufenweise auf. Die kleineren dieser Schluchten waren für Rover unpassierbar. Wenn sie an eine kamen, mußten sie wenden und an ihrem Rand entlangfahren, bis sich ihr Boden hob oder die Wände zusammentraten. Dann konnten sie weiter nach Norden über die flache Ebene fahren.
Der Horizont vor ihnen war manchmal zwanzig Kilometer entfernt, manchmal nur drei. Krater wurden seltener, und die, an welchen sie vorbeikamen, waren von niedrigen Hügeln umgeben, die strahlenförmig von den Rändern ausgingen - Spritzkrater, wo Meteorite in den Permafrost gestürzt waren, der durch den Aufprall in heißen Schlamm verwandelt wurde. Nadias Gefährten verbrachten einen ganzen Tag damit, emsig um einen dieser Krater über die Hügel herumzuwandern. Die runden Hänge wiesen, wie Phyllis sagte, ebenso deutlich auf altes Wasser hin, wie das Korn in versteinertem Holz den ursprünglichen Baum verriet. Während sie sprach, erkannte Nadia, daß dies eine weitere Meinungsverschiedenheit zwischen ihr und Ann war. Phyllis glaubte an das Modell der langen nassen Vergangenheit des Mars, Ann an das der kurzen. Oder irgend so etwas. Die Wissenschaft hatte viele Seiten, darunter auch eine Waffe, mit der man andere Gelehrte treffen konnte.
Weiter im Norden, auf 54° Breite, fuhren sie in das eigenartig aussehende Land von Thermokarsten, ein buckliges Terrain, das übersät war von einer Menge ovaler Gruben mit steilen Wänden, sogenannten Dolinen. Diese waren hundertmal größer als ihre Entsprechungen auf der Erde. Die meisten hatten zwei bis drei Kilometer Durchmesser und waren etwa sechzig Meter tief. Ein sicheres Anzeichen für Permafrost, wie sich alle Geologen einig waren. Jahreszeitliches Gefrieren und Auftauen des Bodens ließ ihn in dieser Form absinken. Gruben solcher Größe zeigten, daß der Boden hohen Wassergehalt gehabt haben müsse, wie Phyllis sagte. Sofern das nicht eine andere Manifestation von Zeitskalen für den Mars wäre, wie Ann erwiderte. Einfach eisiger Boden, der Äonen lang immer so langsam eingesunken wäre.
Phyllis schlug ärgerlich vor, sie sollten Wasser aus dem Boden gewinnen, und Ann stimmte ärgerlich zu. Sie fanden einen glatten Abhang zwischen den Senken und hielten an, um einen Wassersammler für Permafrost zu installieren. Nadia leitete das Vorhaben mit einiger Erleichterung. Der Mangel an Beschäftigung ging ihr allmählich auf die Nerven. Es war die Arbeit eines vollen Tages. Sie grub mit der kleinen Aushubschaufel des vorderen Rovers einen zehn Meter langen Graben und legte den seitlichen Sammelstollen an, ein mit Kies gefülltes Rohr aus perforiertem rostfreiem Stahl. Dann prüfte sie die elektrischen Heizelemente, die in Streifen an dem Rohr und den Filtern angebracht waren. Schließlich füllte sie den Graben mit Ton und Steinen, die sie vorher ausgegraben hatten.
Über dem unteren Ende des Stollens befanden sich ein Sammelbehälter und eine Pumpe, und eine isolierte Leitung führte zu einen kleinen Vorratstank. Batterien speisten die Heizelemente, und Sonnenpaddel luden die Batterien. Wenn der Vorratstank voll war, schaltete sich die Pumpe ab, und es öffnete sich ein Solenoid-Ventil, welches das Wasser in dem Vorratstank in den Stollen zurücklaufen ließ, woraufhin auch die Heizelemente abgestellt wurden.
»Fast fertig«, erklärte Nadia spät am Tag, als sie sich daran machte, die Transportröhre auf dem letzten Magnesiumpfosten zu befestigen. Ihre Hände waren gefährlich kalt, und die verstümmelte Hand schmerzte. Sie sagte: »Vielleicht kann jemand mit dem Abendessen anfangen. Ich bin hier fast fertig.« Die Transportröhre mußte in einen dicken Zylinder aus weißem Polyurethanschaum gepackt und dann in eine größere Schutzröhre eingepaßt werden. Erstaunlich, wie sehr Isolation eine einfache Klempnerarbeit erschwerte.
Sechskantmutter, Dichtungsscheibe, Schließbolzen und ein fester Ruck am Schraubenschlüssel. Nadia ging an der Leitung entlang und prüfte die Kupplungsbänder an den Verbindungen. Alles fest. Sie schleppte ihr Werkzeug zum Rover Eins hinüber und schaute auf das Ergebnis eines Tagewerks zurück: Ein Tank, eine kurze Röhre auf Pfosten, ein Kasten auf dem Boden, ein langer flacher Hügel aus aufgewühltem Boden, der bergauf führte und roh, aber eigentlich nicht ungewöhnlich in diesem Land voller Klumpen aussah. Sie sagte: »Auf dem Rückweg werden wir frisches Wasser trinken.«
Sie hatten über zweitausend Kilometer nach Norden zurückgelegt und rollten
Weitere Kostenlose Bücher