Mars Trilogie 1 - Roter Mars
Er war der ruhigste und unaufdringlichste Psychiater, der ihr je begegnet war. Ohne Zweifel ein Gewinn in dieser Schar von Leuten, die die Psychologie ablehnten. Aber sie fand es immer noch merkwürdig, daß er nach dem Unfall nicht gekommen war, um sie zu besuchen.
Eines Abends verließ sie die Speiseräume und ging hinunter zu dem Tunnel, den sie von den gewölbten Kammern zum Farmkomplex gruben. Dort am Ende des Tunnels waren Maya und Frank, die sich in boshaften Tönen stritten, so daß nicht ihre Gedanken, sondern ihre Gefühle durch den Tunnel hallten. Franks Gesicht war von Wut verzerrt, und Maya wendete sich weinend von ihm ab. Sie kehrte ihm den Rücken zu und schrie: »Ich bin nie so gewesen!« Dann rannte sie blindlings auf Nadia zu. Ihr Mund war mürrisch zusammengezogen, und Franks Gesicht eine Grimasse des Schmerzes.
Nadia drehte sich schockiert um und ging zurück in die Wohnräume. Sie stieg die Magnesiumtreppe empor zum Wohnzimmer im Sektor Zwei und stellte den Fernseher an, um sich ein vierundzwanzigstündiges Nachrichtenprogramm von der Erde einzuschalten, was sie nur sehr selten tat. Nach einer Weile drehte sie den Ton herunter und blickte auf die Backsteinmuster in dem Gewölbe über sich. Maya kam herein und fing an, ihr die Dinge zu erklären: Es gab nichts zwischen ihr und Frank. Das existierte nur in Franks Geist. Er wollte es einfach nicht aufgeben, obwohl es sinnlos war. Sie begehrte nur John; und es war ihr Fehler, daß John und Frank sich jetzt so schlecht vertrugen. Das lag an Franks unvernünftigem Verlangen. Es war nicht ihr Fehler, aber sie fühlte sich so schuldig, weil die beiden Männer früher so enge Freunde gewesen waren, fast wie Brüder.
Und Nadia hörte mit mühsam geheuchelter Geduld zu und sagte »Da da« und dergleichen, bis Maya heulend flach auf dem Rücken am Boden lag und Nadia, die auf der Kante eines Stuhles saß, sie anstarrte und sich fragte, wieviel davon wohl zuträfe. Und um was sich der Streit in Wirklichkeit gedreht hätte. Und ob sie eine schlechte Freundin wäre, wenn sie der Story ihrer alten Gefährtin so gänzlich mißtraute. Aber irgendwie machte das Ganze den Eindruck, als ob Maya ihre Spuren verwischte und eine neue Manipulation ausübte. Es war doch so gewesen, daß diese zwei verzerrten Gesichter, die sie im Tunnel gesehen hatte, der klarstmögliche Beweis für einen Streit zwischen intimsten Personen gewesen waren. Also war Mayas Erklärung fast sicher eine Lüge. Nadia sagte etwas zu ihr und ging zu Bett. Sie dachte: Du hast mir schon zuviel von meiner Zeit und Energie und Konzentration mit diesen Spielchen geraubt. Du hast mich damit einen Finger gekostet, du Biest!
Es war ein neues Jahr, das sich dem Ende des langen nördlichen Sommers zuneigte; und sie hatten immer noch keine zufriedenstellende Wasserversorgung. Darum schlug Ann vor, eine Expedition zur Polkappe zu unternehmen und eine Roboter-Destillieranlage einzurichten, sowie längs des Weges eine Route anzulegen, damit Roboter einem automatischen Piloten folgen könnten. Sie sagte zu Nadia: »Komm mit uns! Du hast noch nichts auf dem Planeten gesehen außer dem Streifen zwischen hier und Tschernobyl, und das ist nichts. Du hast Hebes und Ganges versäumt und machst hier nichts Neues. Wirklich, Nadia, ich kann nicht glauben, was für ein Arbeitstier du gewesen bist. Ich meine, wozu bist du überhaupt auf den Mars gekommen?«
»Warum?«
»Ja, warum? Ich meine, es gibt hier zwei Arten von Aktivitäten. Da ist die Erforschung des Mars und dann die Sorge für das Leben dieser Erforschung. Und hier bist du völlig in der Lebensversorgung aufgegangen, ohne dem Grund, weshalb wir in erster Linie hergekommen sind, die geringste Aufmerksamkeit zu widmen!«
»Nun, das tue ich eben gern«, sagte Nadia beunruhigt.
»Fein, aber bemühe dich, etwas Abstand davon zu gewinnen! Zum Teufel, du hättest auf der Erde bleiben und Klempner werden können. Du mußtest nicht diesen ganzen Weg zurücklegen, um einen blöden Bulldozer zu fahren. Wie lange willst du hier noch weiter schuften, Toiletten installieren und Traktoren programmieren?«
»Schon gut«, sagte Nadia und dachte an Maya und alles übrige. Das Gewölbequadrat war sowieso fast fertiggestellt. »Du hast recht. Ich könnte einen Urlaub brauchen.«
S ie fuhren in drei großen Geländewagen für Fernfahrten los. Nadia und fünf Geologen: Ann, Simon Frazier, George Berkovic, Phyllis Boyle und Edvard Perrin. George und Edvard waren
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