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Mars Trilogie 1 - Roter Mars

Mars Trilogie 1 - Roter Mars

Titel: Mars Trilogie 1 - Roter Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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drückte Nadia Ann impulsiv an sich. »O Ann, ich weiß nicht, wie ich dir dafür danken kann!« Selbst durch die getönten Visierscheiben konnte sie Ann grinsen sehen. Ein seltenes Bild.
     
    Danach sahen die Dinge für Nadia anders aus. Oh, sie wußte, daß es in ihrem Innern war, daß sie vermochte, mit neuen Augen hinzuschauen, zu sehen. Aber die Landschaft inspirierte diese Sinneserregung und nährte ihre neue Aufmerksamkeit. Denn schon am nächsten Tage verließen sie die schwarzen Dünen und fuhren auf etwas, das ihre Kameraden ein geschichtetes oder blätteriges Gelände nannten. Dies war das Gebiet aus flachem Sand, das im Winter unter der CO 2 - Decke der Polkappe lag. Jetzt im Mittsommer war es frei und bildete eine Landschaft mit Mustern aus krummen Linien. Sie fuhren durch breite flache Mulden aus gelbem Sand, die durch lange gewellte Plateaus mit flachen Gipfern begrenzt waren. Deren Hänge waren abgestuft und zeigten feine und gröbere Schichtungen. Sie sahen aus wie Holz, das geschnitten und poliert worden war, um eine hübsche Maserung zu zeigen. Niemand von ihnen hatte je ein so entlegenes Land gesehen; und sie verbrachten die Morgen mit Entnahme von Proben und Bohrungen. Sie kletterten umher mit kleinen Sprüngen in einem Marsballet und schwatzten und plapperten. Nadia war ebenso erregt wie jeder andere. Ann erklärte ihr, daß der Frost in jedem Winter eine Art Lamelle auf der Oberfläche bewirkte. Dann hatte Wind-Erosion Schluchten geschnitten und deren Wände abgewetzt. Jede Schicht wurde etwas stärker beschnitten als die darunterliegende, so daß die Wände dieser Trockentäler aus Hunderten schmaler Terrassen bestanden. Simon sagte: »Es ist, als wäre das Land eine Konturenkarte von sich selbst.«
    Sie fuhren tagsüber und kamen abends heraus, in einer purpurnen Dämmerung, die bis kurz vor Mitternacht währte. Sie bohrten Löcher und holten Kerne heraus, die sandig und geschichtet waren, soweit sie nur bohren konnten. Eines Abends kletterte Nadia mit Ann eine Reihe paralleler Terrassen empor und lauschte mit halbem Ohr ihren Ausführungen über die Präzession der Tag- und Nachtgleichen, als sie über das Tal zurückblickte und sah, daß es wie Limonen und Aprikosen im Abendlicht schimmerte, und daß sich darüber blaßgrüne linsenförmige Wolken befanden, die perfekt die Kurvenlinien des Terrains nachzeichneten. »Schau!« rief sie aufgeregt.
    Ann schaute zurück, sah es und wurde still. Sie beobachteten die niedrigen gebänderten Wolken über ihren Köpfen.
    Schließlich holte sie ein Ruf zum Essen von den Rovern zurück. Und als sie über die abgestuften Terrassen aus Sand hinuntergingen, erkannte Nadia, daß sie sich verändert hatte - oder aber, daß der Planet immer fremdartiger und schöner wurde, je weiter sie nach Norden fuhren. Oder beides.
     
    Sie rollten über flache Terrassen aus gelbem Sand, so fein und hart und frei von Steinen, daß sie mit voller Geschwindigkeit fahren konnten und nur langsamer wurden, um von einer Plattform zur anderen überzuwechseln. Gelegentlich machte ihnen der abgerundete Hang zwischen Terrassen einige Schwierigkeiten; und ein paarmal mußten sie zurückfahren, um einen Weg zu finden. Aber gewöhnlich ließ sich eine nach Norden führende Route ohne Schwierigkeit finden.
    An ihrem vierten Tag in dem geschichteten Gelände rückten die Wände des Plateaus, das ihr flaches Tal begrenzte, zusammen, und sie fuhren durch den Spalt auf eine höhere Ebene. Und dort, vor ihnen an dem neuen Horizont, war ein weißer Berg, ein großes rundes Ding wie ein Ayers Rock in Weiß zu sehen. Ein weißer Berg - das war Eis! Ein Berg aus Eis, etwa hundert Meter hoch und ein Kilometer breit. Und als sie um ihn herumfuhren, sahen sie, daß er sich über den Horizont nach Norden hinzog. Es war die Spitze eines Gletschers, vielleicht eine Zunge der Polkappe selbst. In den anderen Wagen ertönten Rufe; und bei dem Lärm und der Verwirrung konnte Nadia nur hören, wie Phyllis schrie: »Wasser, Wasser!«
    Tatsächlich Wasser. Obwohl sie gewußt hatten, daß es hier sein müßte, war es doch höchst aufregend, einen ganzen großen Berg davon anzutreffen, tatsächlich die höchste Erhebung, der sie auf den ganzen 5000 Kilometern ihrer Reise begegnet waren. Sie brauchten den ganzen ersten Tag, um sich daran zu gewöhnen. Sie hielten die Rover an, zeigten hin, plapperten, stiegen aus, um zu schauen, nahmen Proben von der Oberfläche und aus Bohrungen, berührten es und kletterten

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