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Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars

Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars

Titel: Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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Narben war und daß sich junge Geister zu alten Geistern ebenso wie junge Körper zu alten Körpern verhalten könnten: stärker, vitaler, weniger durch Schaden verkrümmt.
    Also behielt sie das im Sinn, auch wenn sie ihnen so streng Lektionen erteilte wie seinerzeit den Kindern in Zygote. Und nach ihren Unterrichtsstunden war sie bemüht, sich unter sie zu gesellen und bloß zu plaudern, gemeinsam etwas zu essen und ihren Geschichten zu lauschen. Nach einer solchen Stunde pflegte Spencer zu verkünden, daß sie gehen müsse. Damit sollte immer angedeutet werden, daß sie aus einer anderen Stadt zu Besuch wäre; obwohl sie, da sie manche ihrer Gesichter in den Straßen von Odessa gesehen hatte, auch sie gesehen haben mußten und mindestens annahmen, daß sie viel Zeit in der Stadt zubringen würde. Aber später führten Spencer und seine Freunde mit ihr eine raffinierte Routine durch, um sicher zu sein, daß man ihnen nicht folgte. Und der größte Teil der Gruppe verkrümelte sich in den mit Treppen versehenen Gassen der oberen Stadt, ehe sie das westliche Viertel und das Haus von Praxis erreichten. Dann schlüpften sie durch das Tor hinein, das sich mit einem lauten Ton schloß und sie daran erinnerte, daß das sonnige Doppelapartment, welches sie mit Michel teilte, eine sichere Behausung war.
    Eines Abends nach einem sehr lebhaften Treffen mit einer Gruppe junger Ingenieure und Areologen tippte sie auf ihrem Lektionar und fand das Foto des jungen Frank in jenem Artikel und druckte eine Kopie davon aus. Der Aufsatz hatte das Bild einer damaligen Zeitung entnommen, und es war schwarzweiß und recht körnig. Sie klebte das Foto neben den Schrank über der Küchenspüle und fühlte sich alt und verwirrt.
    Michel blickte von seinem Computer auf, schaute es an und nickte zustimmend. »Es ist erstaunlich, wieviel man aus den Gesichtern der Leute lesen kann.«
    »Frank war nicht dieser Ansicht.«
    »Er fürchtete einfach diese Fähigkeit.«
    »Hmm«, sagte Maya. Sie konnte sich nicht entsinnen. Statt dessen erinnerte sie sich an die Gesichter der Leute bei der Versammlung dieses Abends. Es stimmte, sie hatten alles offenbart. Sie waren wie Masken gewesen, die genau die Sätze ausdrückten, die ihre Herren gesprochen hatten. Die Metanationalen waren außer Kontrolle. Sie setzten die Dinge unter Druck. Sie waren selbstsüchtig. Metanationalismus ist eine neue Art von Nationalismus, aber ohne jedes Heimatgefühl. Er ist eine Art von Geldpatriotismus, eine Art von Krankheit. Die Menschen leiden, nicht so sehr hier, wie vielmehr auf der Erde. Und wenn es sich nicht ändert, wird das auch hier geschehen. Man wird uns anstecken.
    Mit dem Blick auf dem Foto war das alles gesagt, jener wissende, zuversichtliche, redliche Glanz. Er konnte sich zu Zynismus wandeln, ohne Zweifel. Frank war der Beweis dafür. Es war möglich, diese Glut zu brechen oder zu verlieren. Und Zynismus konnte sehr ansteckend sein. Sie würden handeln müssen, ehe das geschah. Nicht zu früh, aber auch nicht zu > spät. Die Zeitplanung wäre am wichtigsten. Aberwenn sie es richtig abpaßten ...
     
    Eines Tages traf im Büro eine Nachricht von Hellespontus ein. Sie hatten ein neues Wasserreservoir entdeckt, sehr tief im Vergleich mit den anderen, sehr weit vom Becken entfernt und sehr groß. Diana vermutete, daß frühere Eiszeiten westlich der Gebirgskette von Hellespontus verlaufen sein und dort unter der Oberfläche zur Ruhe gekommen sein könnten - mehr als zwölf Millionen Kubikmeter, mehr als jedes andere Wasserlager. Damit stieg die Menge des lokalisierten Wassers von achtzig auf hundertzwanzig Prozent der Menge, die nötig war, um das Becken bis zur Linie von minus einem Kilometer zu füllen.
    Das war eine aufregende Nachricht, und die ganze Schar des Hauptquartiers versammelte sich in Mayas Büro, um darüber zu diskutieren und es in den großen Karten einzutragen. Die Areographen trugen schon Routen der Pipelines über das Gebirge ein und debattierten über die relativen Vorteile verschiedener Arten von Rohrleitungen. Das Low-Point-Meer, im Büro >der Teich< genannt, ernährte schon eine kräftige biotische Gemeinschaft, die auf der Nahrungskette des antarktischen Krills beruhte; und es gab am Boden eine sich ausdehnende Schmelzzone, die vom Mohole und dem zunehmenden Gewicht der vielen Tonnen Eis erwärmt wurde, die von oben drückten. Zunehmender Luftdruck und ständig steigende Temperaturen bedeuteten, daß auch an der Oberfläche immer mehr

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