Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars
ihren Augen einen Blick, den Maya eines Abends erkannte. Es war der Ausdruck in den Augen des jungen Frank auf dem Foto, das sie in ihrem Archiv gesehen hatte - dieser Idealismus, diese zornige Schärfe, dieses Wissen, daß die Dinge nicht in Ordnung waren, diese Zuversicht, sie regeln zu können. Die Jungen, so dachte sie, bildeten die natürliche Wählerschaft der Revolution.
Und da waren sie nun in ihren kleinen Zimmern und kamen zusammen, um die vorliegenden Themen zu erörtern. Sie sahen müde aus, aber glücklich. Parties gehörten wie alles andere zu ihrem sozialen Leben. Es war wichtig, das zu verstehen. Und Maya ging öfters mitten ins Zimmer, setzte sich, wenn möglich, auf einen Tisch und sagte: »Ich bin Toitovna. Ich war hier von Anfang an.«
Sie pflegte darüber zu sprechen, wie es in Underhill gewesen war. Sie war bestrebt, sich zu erinnern, bis sie sich in ihrer Rolle als personifizierte Geschichte ereiferte im Versuch zu erklären, warum die Dinge auf dem Mars so waren, wie sie waren. Sie sagte ihnen: »Schaut, es führt kein Weg zurück.« Physiologische Veränderungen hatten ihnen die Erde für immer verschlossen, Einwanderern und Eingeborenen gleichermaßen, aber besonders den Eingeborenen. Sie waren jetzt auf jeden Fall Bewohner des Mars. Sie mußten ein unabhängiger Staat sein, vielleicht souverän, mindestens halbautonom. Halbautonomie könnte genügen angesichts der Realitäten der zwei Welten und würde es rechtfertigen, von einem freien Mars zu sprechen. Aber bei dem gegenwärtigen Stand der Dinge waren sie nicht mehr als Eigentum und hatten keine reale Macht über ihr eigenes Leben. Entscheidungen wurden für sie in hundert Millionen Kilometern Entfernung getroffen. Ihr Heim war in Metallstücke zerhackt und fortgeschafft worden. Das war eine Vergeudung, die niemandem diente außer einer kleinen metanationalen Elite, die die zwei Welten wie feudale Lehen betrieb. Nein, sie mußten frei sein - und keineswegs so, daß sie sich von der schrecklichen Situation der Erde abkoppelten, sondern um imstande zu sein, einen realen Einfluß auf das auszuüben, was da drunten geschah. Andernfalls wären sie nur hilflose Zeugen der Katastrophe und würden nach den ersten Scharen von Opfern in den Mahlstrom hineingezogen. Das war unerträglich. Sie mußten handeln.
Die kommunalen Gruppen waren für diese Botschaft sehr aufgeschlossen, wie auch die mehr traditionellen Gruppen der MarsErsten und die urbanen Bogdanovisten und sogar einige Rote. Für sie alle unterstrich Maya bei jedem Meeting die Wichtigkeit, ihre Aktionen zu koordinieren. »Revolution ist kein Ort für Anarchie! Wenn wir Hellas jeder von sich aus zu füllen versuchten, könnten wir leicht die Arbeit jedes anderen zunichte machen und vielleicht sogar die Minus-Eins-Kontur überschreiten und alles zerstören, für das wir gearbeitet haben. Hiermit ist es ebenso. Wir müssen zusammenarbeiten. Das haben wir 2061 nicht getan, und darum war das ein solches Fiasko. Es war gegenseitige Interferenz statt Synergie, versteht ihr? Das war töricht. Diesmal müssen wir zusammenarbeiten.«
»Erzähl das den Roten!« pflegten die Bogdanovisten zu sagen. Und Maya durchbohrte sie dann mit einem Blick und sagte: »Jetzt spreche ich zu euch. Ihr mögt nicht hören, wie ich zu denen spreche.« Darüber mußten sie lachen und beruhigten sich bei dem Gedanken, wie sie einen anderen tadelte. Daß man sie für die Schwarze Witwe hielt, die Böse, die sie verfluchen könnte, die Medea, die sie töten könnte, war ein unwichtiger Teil ihres Einflusses auf sie; sie ließ aber ab und zu die Messer erkennen. Sie stellte ihnen harte Fragen; und obwohl sie gewöhnlich hoffnungslos naiv waren, waren ihre Antworten wirklich eindrucksvoll, besonders wenn sie über den Mars selbst sprachen. Einige von ihnen sammelten enorme Mengen an Information. Inventar metanationaler Rüstkammern, Flughafensysteme, Pläne von Kommunikationszentren, Listen und Standortprogramme für Satelliten und Raumfahrzeuge, Netzwerke und Datenbasen. Wenn man ihnen zuhörte, schien bisweilen das ganze Unternehmen möglich zu sein. Natürlich waren sie jung und in vielem unwissend, so daß es leicht war, sich ihnen überlegen zu fühlen. Aber sie verfügten über animalische Vitalität, Gesundheit und Energie. Und schließlich waren sie doch Erwachsene, so daß Maya, wenn sie sie beobachtete, bei anderen Gelegenheiten verstand, daß die gerühmte Erfahrung des Alters nur eine Sache von Wunden und
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