Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars
nachdenken, ins Gebirge zu gehen. Tharsis, Elysium. Wenn man sich in die Höhe begibt, ist das wie eine Reise in die Vergangenheit. Deine Aufgabe ist es, den Mars zu finden, der alles überdauert. Das ist wirklich wundervoll. Viele Leute haben keine so schöne Aufgabe. Du kannst es dir gar nicht vorstellen. Du hast Glück, daß du sie hast.
Und du?
Was?
Was ist deine Aufgabe?
Meine Aufgabe?
Ja, deine Aufgabe.
... Ich bin mir nicht sicher. Wie ich dir sagte, beneide ich dich um deine. Meine Aufgaben sind... konfus. Maya zu helfen und mir. Und dem Rest von uns. Versöhnung... Möchte gern Hiroko finden...
Du bist lange Zeit unser Psychiater gewesen.
Ja.
Mehr als hundert Jahre lang.
Ja.
Und niemals irgendwelche Ergebnisse.
Nun, ich denke, ich kann sagen, daß ich ein wenig geholfen habe.
Aber es kommt nicht von Natur aus zu dir.
Vielleicht nicht.
Glaubst du, daß Leute deshalb daran interessiert sind, Psychologie zu studieren, weil sie geistig verwirrt sind?
Das ist eine verbreitete Theorie.
Aber du bist nie einer solchen Behandlung unterzogen worden.
Oh, ich habe meine Therapeuten gehabt.
Hat es geholfen?
Ja! Durchaus. Ziemlich hilfreich. Ich meine, sie haben getan, was sie konnten.
Aber du kennst deine Aufgabe nicht.
Nein. Oder... ich will nach Hause gehen.
In welches Haus?
Das ist das Problem. Es ist hart, wenn man nicht weiß, wo man zu Hause ist.
Ja. Ich dachte, du würdest in der Provence bleiben.
Nein, nein. Ich meine, die Provence ist meine Heimat, aber...
Aber jetzt bist du unterwegs zurück zum Mars.
Ja.
Du hast dich entschlossen zurückzukommen.
...Ja.
Du weißt nicht, was du tust. Oder doch?
Nein. Aber du weißt es. Du weißt, wo du zu Hause bist. Du hast das; und es ist kostbar! Du solltest das bedenken. Du solltest ein solches Geschenk nicht verwerfen oder esfür eine Last halten! Du bist ein Narr, wenn du so denkst! Es ist ein Geschenk, verdammt noch mal, ein wirklich wertvolles Geschenk. Verstehst du mich?
Ich muß darüber nachdenken.
S ie verließ das Refugium in einem meteorologischen Rover aus dem vorigen Jahrhundert, einem großen plumpen Ding mit einem luxuriösen Fensterkasten oben drauf. Er war der vorderen Hälfte des Expeditionsrovers, in dem sie mit Nadia, Phyllis, Edmund und George zum Nordpol gefahren war, nicht unähnlich. Und weil sie seither Tausende von Tagen in solchen Fahrzeugen verbracht hatte, hatte sie zunächst den Eindruck, daß das, was sie tat, ganz gewöhnlich wäre und in Einklang mit dem Rest ihres Lebens stünde.
Aber sie fuhr nach Nordosten, den Canyon hinunter, bis sie im Bett des kleinen namenlosen Kanals bei 60° Länge und 52° nördlicher Breite war. Dieses Tal war durch einen kleinen Wasserlagerausbruch eingetieft worden, der in einer früheren Grabenfalte die niedrigeren Hänge der Großen Böschung hinunter verlief. Die einkerbenden Wirkungen der Flut waren noch an den Rändern der Canyonwände erkennbar genau wie in den linsenförmigen Inseln aus Muttergestein auf dem Boden des Kanals.
Und der verlief nach Norden in ein Meer aus Eis.
Sie stieg aus dem Wagen und trug einen mit Fasern gepolsterten Windanzug, eine CO 2 -Maske, Schutzbrille und geheizte Stiefel. Die Luft war dünn und kalt, obwohl jetzt im Norden Frühling war - Ls 10, m-33. Kalt und stürmisch. Fetzen niedriger Wolken rasten vor Böen nach Osten. Es würde entweder eine Eiszeit geben oder, falls die Manipulationen der Grünen das verhinderten, ein Jahr ohne Sommer wie 1810 auf der Erde, als die Explosion des Vulkans Tambori die Welt in Asche gehüllt und abgekühlt hatte.
Sie ging zum Ufer des neuen Meeres. Es lag am
Fuße der Großen Böschung in Tempe Terra, einem Vorsprung alter Gebirge, der sich nach Norden erstreckte. Tempe war wahrscheinlich der allgemeinen Entblößung der nördlichen Hemisphäre entgangen, weil es dem Aufschlagpunkt des Großen Treffers ungefähr entgegengesetzt lag, von dem die meisten Areologen jetzt annahmen, daß er nahe Hrad Vallis über Elysium gelegen hatte. Also abgenutzte Hügel mit Blick über ein von Eis bedecktes Meer. Das Gestein sah aus wie die Oberfläche eines roten Meeres in einem wilden Strudel und das Eis wie eine Prärie im tiefen Winter. Einheimisches Wasser, das, wie Michel gesagt hatte, von Anfang an dort und früher an der Oberfläche gewesen war. Das war schwer zu verstehen. Ihre Gedanken waren zerstreut und verwirrt, sprangen hin und her zugleich. Es war wie Wahnsinn, aber doch nicht ganz. Sie kannte den
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