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Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Titel: Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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bestätigt worden waren.
    Somit war sie jetzt wirklich die Königin der Physik; und die Experimentalisten in den Labors unterhielten ständige Datenverbindung mit Da Vinci, auf weitere Vorschläge von ihr erpicht. Die Nachmittagssitzungen im Seminarraum waren spürbar spannend und aufregend geworden. Max Schnell eröffnete die Versammlung und rief an manchen Stellen Bao auf. Sie stand dann auf und ging zu dem Schirm vorne im Raum, schlicht, graziös, zurückhaltend, und ließ den Stift über den Schirm fliegen, wenn sie ihnen eine Methode zeigte, genau die Neutrinomasse zu berechnen, oder sehr spezifisch darlegte, wie Strings vibrierten, um die verschiedenen Quarks zu bilden oder den Raum so quantifizierte, daß Gravitinos in drei Familien geteilt wurden und so weiter. Ihre Kollegen und Freunde, vielleicht zwanzig Männer und eine weitere Frau, unterbrachen sie, um Fragen zu stellen oder Gleichungen hinzuzufügen, die Nebenfragen klärten, oder den übrigen von den letzten Ergebnissen aus Genf oder Palo Alto oder Rutherford zu berichten. Während dieser Stunde merkten alle, daß sie sich im Mittelpunkt der Welt befanden.
    In den Labors auf der Erde und dem Mars und im Asteroidengürtel wurden bei sehr delikaten Experimenten im Gefolge ihrer Arbeit ungewöhnliche Schwerewellen beobachtet. Besondere geometrische Muster wurden bei den feinen Fluktuationen in der kosmischen Hintergrundstrahlung enthüllt. Man sonderte WIMPs von Dunkelmaterie und WISPs von Schattenmaterie aus. Die verschiedenen Familien von Leptonen, Fermionen und Leptoquarks wurden erklärt. Die Galaktische Zusammenballung bei der ersten kosmischen Inflation wurde zumindest provisorisch gelöst und theoretisch untermauert. Es gab viele Beispiele. Es schien, als ob die Physik endlich an der Schwelle zur Endgültigen Theorie stünde. Oder wenigstens inmitten des nächsten Großen Schrittes.
     
    In Anbetracht der Bedeutung dessen, was Bao tat, hatte Sax Scheu, mit ihr zu sprechen. Er wollte ihre Zeit nicht mit Trivialitäten vergeuden. Aber eines Nachmittags bei einer Kavaparty auf einem der Balkons über dem Kratersee von Da Vinci trat sie an ihn heran; noch scheuer und unsicherer als er selbst, so daß er in die ungewöhnliche Lage geriet, einer anderen Person zu helfen, für sie Sätze zu beenden und dergleichen. Er tat das, so gut er konnte; und sie stolperten so dahin, sprachen über seine alten RussellDiagramme für Gravitinos, die er jetzt für nutzlos hielt, aber sie sagte, daß die ihr immer noch behilflich wären, gravitative Aktionen zu erkennen. Und als er dann eine Frage über das Seminar dieses Tages stellte, war sie schnell entspannter. Gewiß, das war der Weg, es ihr behaglich zu machen. Er hätte gleich daran denken sollen. Es gefiel ihm selbst.
    Danach sprachen sie ab und zu miteinander. Er hatte immer Mühe, sie aus sich herauszulocken, aber es war eine interessante Arbeit. Und als die trockene Jahreszeit kam im Äquinoktium des Herbstes und er sich anschickte, wieder aus dem kleinen Hafen Alpha hinauszusegeln, fragte er sie zögernd, ob sie gern mal mitkommen würde. Und sie stotterten eine Weile herum, mit dem Ergebnis, daß sie mit ihm am nächsten schönen Tag in einem der vielen kleinen Katamarane des Labors zum Segeln fuhr.
    Bei Tagestouren blieb Sax in der kleinen Bucht, genannt die Florentine, südöstlich der Halbinsel, wo sich der Ravi-Fjord erweiterte, ehe er zur Hydroates- Bucht wurde. Dort hatte Sax Segeln gelernt, und dort war er immer noch am besten mit den Winden und Strömungen vertraut. Auf längeren Fahrten hatte er das Delta von Fjorden und Buchten am unteren Ende des Marineris-Systems erkundet, und drei- oder viermal war er die Ostseite des Chryse-Golfs hinaufgesegelt bis hin zum Mawrth-Fjord und entlang der Sinai-Halbinsel.
    Aber an diesem speziellen Tag beschränkte er sich auf Florentine. Der Wind kam von Süden, und Sax kreuzte ihm entgegen und beanspruchte Baos Hilfe bei jedem Kurswechsel. Keiner von beiden sprach sonderlich viel. Um die Sache in Gang zu bringen, war Sax schließlich gezwungen, Fragen zur Physik zu stellen. Sie sprachen über die Wege, in denen Strings das eigentliche Gewebe der Raumzeit darstellten, statt nur Ersatz für Punkte in einem absoluten abstrakten Gitter zu sein.
    Sax dachte darüber nach und sagte: »Machst du dir überhaupt keine Sorgen, daß die Arbeit an einem so weit jenseits des Bereichs der Experimentalphysik liegenden Thema sich als eine Art Kartenhaus erweisen könnte -

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