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Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Titel: Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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die Strings nur in bestimmten Harmonien schwingen konnten. Diese supersymmetrischen Strings, die harmonisch in zehndimensionalen Spinnetzen schwingen, erklärten sehr elegant und plausibel die mannigfachen Kräfte und Partikel, die im subatomaren Niveau zu erkennen sind, wie auch alle Bosonen und Fermionen und deren gravitative Effekte. Darum erhob die voll ausgearbeitete Theorie den Anspruch, erfolgreich die Quantenmechanik mit der Gravitation zu verbinden, was seit mehr als zwei Jahrhunderten das Problem der Theoretischen Physik gewesen war.
    Alles gut und schön und wirklich aufregend. Aber das Problem kam für Sax und viele andere Skeptiker mit der Schwierigkeit, irgend etwas von dieser schönen Mathematik experimentell zu bestätigen - eine Schwierigkeit, die in den äußerst geringen Größen der Schleifen und Räume der Theorie begründet lag. Sie lagen alle im Bereich von 10~ 33 Zentimetern, der sogenannten Planck-Länge. Und die war so viel kleiner als subatomare Partikel, daß man sich das schwer vorstellen konnte. Der typische Atomkern hatte einen Durchmesser von etwa lCh 13 Zentimetern. Sax hatte zuerst einige Zeit lang versucht, sich diese Distanz vorzustellen. Das war hoffnungslos; aber man mußte versuchen, diese hoffnungslos winzige Größe für einen Moment im Geist festzuhalten. Und sich dann daran erinnern, daß man in der Stringtheorie über noch um zwanzig Größenordnungen kleinere Objekte sprach. Sax überlegte krampfhaft. Ein String verhielt sich also zur Größe eines Atoms wie diese zur Größe... des Sonnensystems. Ein Verhältnis, das rational kaum zu erfassen war.
    Aber noch schlimmer - es war auch zu klein, um es experimentell zu untersuchen. Das war für Sax die Crux an diesem Problem. Physiker hatten in Beschleunigern Experimente bei Energieniveaus von der Größenordnung 100 GeV durchgeführt. Das ist hundertmal die Energie einer Protonenmasse. Von da aus hatten sie mit großer Mühe im Lauf vieler Jahre das sogenannte revidierte Standardmodell der Teilchenphysik aufgestellt. Dieses erklärte eine Menge, war wirklich eine erstaunliche Leistung und machte Vorhersagen, die durch Laborexperimente oder kosmologische Beobachtungen bewiesen oder widerlegt werden konnten, Vorhersagen, die so mannigfaltig waren und so gut bestätigt wurden, daß die Physiker zuversichtlich über vieles sprechen konnten, das sich in der Geschichte des Universums seit dem Urknall abgespielt hatte, bis zurück zum ersten Millionstel einer Sekunde der Zeit.
    Aber die Stringtheorie wollte einen phantastischen Sprung über das revidierte Standardmodell hinaus zur Planckschen Länge tun, die den geringsten möglichen Bereich darstellte, der nicht verkleinert werden konnte, ohne in Widerspruch zu dem Verbotsprinzip von Pauli zu geraten. Es war irgendwie sinnvoll, über diese minimale Größe von Dingen nachzudenken. Aber um Ereignisse in diesem Maßstab wirklich zu sehen, wären Experimente mit einer Energie von mindestens 10 19 GeV erforderlich, die man nicht darstellen konnte. Kein Beschleuniger würde jemals auch nur näherungsweise herankommen. Das Herz einer Supernova konnte man eher mit dem vergleichen. Nein. Ein großer Unterschied, weit wie eine Schlucht oder eine Wüste, trennte sie vom Planckschen Bereich. Es war eine Stufe der Realität, die für sie in jedem experimental-physikalischen Sinn unbekannt bleiben müßte.
    So etwa war die gängige Meinung unter Skeptikern. Aber die an der Theorie Interessierten hatten sich nie davon abbringen lassen, das Phänomen zu studieren. Sie suchten nach einer indirekten Bestätigung der Theorie auf subatomarem Niveau, das aus dieser Perspektive gigantisch wirkte, und seitens der Kosmologie. Anomalien bei Phänomenen, die die revidierte Standardtheorie nicht erklären konnte, ließen sich vielleicht durch Vorhersagen deuten, die die Stringtheorie über den Planckchen Bereich machte. Es hatte allerdings nur wenige solche Vorhersagen gegeben, und die erwarteten Phänomene waren schwer nachzuweisen. Aber im Laufe der Jahrzehnte waren einige String-Enthusiasten immer tiefer in die mathematischen Strukturen eingetaucht, die weitere Verästelungen der Theorie offenbaren und mehr nachweisbare indirekte Resultate hervorbringen könnten. Das war alles, was sie tun konnten; und Sax hatte den Eindruck, daß es ein aussichtsreicher Weg für die Physik sein könnte. Er glaubte von ganzem Herzen an die experimentelle Physik. Wenn es sich nicht testen ließ, wenn es nur Mathematik

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