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Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Titel: Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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eine aktive Hydrosphäre. Das bedeutete Leben.
     
    Baos Mutter starb beim Absturz eines kleinen Flugzeugs; und Bao als ihre jüngste Tochter mußte nach Hause und sich um alles kümmern, einschließlich des Familienheims. Wie man Sax sagte, war das aktive Ultimogenitur, also das Erbrecht des jüngsten Angehörigen, nach dem Muster des Matriarchats der Hopi. Bao war nicht sicher, wann sie zurück sein würde. Es war sogar möglich, daß sie sich länger dort aufhalten werden würde. Sie sah das ganz sachlich. Das waren einfach Dinge, die getan werden mußten. Sie hatte sich bereits in eine innere Welt zurückgezogen. Sax konnte ihr nur zum Abschied winken und kopfschüttelnd wieder in sein Zimmer gehen. Sie würden die Grundgesetze des Universums verstehen, ehe sie auch nur im geringsten mit gesellschaftlichen Dingen umgehen konnten. Ein besonders widerspenstiges Forschungsgebiet. Er rief Michel an und brachte etwas dieser Art zum Ausdruck. Michel sagte: »Das ist, weil die Kultur Fortschritte macht.«
    Sax glaubte zu verstehen, was Michel meinte. Es gab rapide Veränderungen, was das Verhalten vielen Dingen gegenüber betraf. Wertewandel, wie Bela es nannte, die Mutation von Werten. Aber sie lebten immer noch in einer Gesellschaft, die mit Archaismen aller Art zu kämpfen hatte. Primaten schlössen sich noch immer zu Gruppen zusammen und hüteten ein Territorium, wobei sie zu Gott wie zu einem Bilderbuchvater beteten... »Manchmal denke ich, daß es überhaupt keinen Fortschritt gegeben hat«, sagte er und fühlte sich hart enttäuscht.
    Michel protestierte. »Aber Sax, gerade hier auf dem Mars haben wir gesehen, wie Patriarchat und Eigentum ein Ende gefunden haben. Das ist eine der größten Errungenschaften in der menschlichen Geschichte.«
    »Falls es stimmt.«
    »Meinst du nicht, daß Frauen jetzt ebenso viel Macht haben wie Männer?«
    »Soweit ich das beurteilen kann.«
    »Vielleicht sogar noch mehr, wenn es um die Fortpflanzung geht.«
    »Das ergäbe Sinn.«
    »Und das Land liegt in der gemeinsamen Obhut aller. Wir haben noch unsere persönlichen Dinge als Eigentum; aber Land als Eigentum hat es hier nie gegeben. Das ist eine neue soziale Realität, mit der wir täglich zu kämpfen haben.«
    So war das. Und Sax erinnerte sich, wie bitter die Konflikte in den alten Tagen gewesen waren, als Eigentum und Kapital an der Tagesordnung gewesen waren. Ja, vielleicht war es wahr: Patriarchat und Eigentum wurden abgeschafft. Zumindest auf dem Mars und zumindest jetzt. Wie mit der Stringtheorie könnte es lange dauern, bis es richtig in Ordnung gebracht werden würde. Immerhin war Sax selbst, der keinerlei Vorurteile hatte, erstaunt gewesen, eine weibliche Mathematikerin am Werk zu sehen. Oder, um genauer zu sein, ein weibliches Genie. Durch die er sozusagen prompt hypnotisiert wurde, so wie jeder andere Mann in der Gruppe der Theoretiker. Das ging so weit, daß er durch ihre Abreise völlig verwirrt war. Er sagte verlegen: »Auf der Erde scheinen die Menschen genau so viel zu kämpfen wie zuvor.«
    Selbst Michel mußte das zugeben. Im Versuch, das abzuweisen, sagte er: »Bevölkerungsdruck. Da unten gibt es zu viele Menschen, und es werden ständig noch mehr. Du hast bei unserem Besuch gesehen, wie das war. Solange die Erde sich in dieser Situation befindet, ist der Mars bedroht. Und deshalb kämpfen wir auch hier oben.«
    Sax verstand das. Es war in gewisser Weise tröstlich. Das menschliche Verhalten nicht von Grund auf böse oder töricht zu sehen, sondern halb rational auf eine gegebene historische Situation, eine Gefahr, reagierend. Man nahm, was man ergattern konnte, mit dem Hintergedanken, daß es nicht für alle reichen könnte. Man tat alles mögliche, um die eigene Nachkommenschaft zu schützen. Aber genau dadurch wurde natürlich jede Nachkommenschaft gefährdet, wegen dieser geballten selbstsüchtigen Aktionen. Aber man konnte es zumindest einen Versuch zur Vernunft nennen, eine erste Näherung.
    »Jedenfalls ist es nicht so schlimm, wie es einmal gewesen ist«, sagte Michel. »Selbst auf der Erde haben die Leute jetzt weniger Kinder. Und sie reorganisieren sich recht gut in Kollektiven in Anbetracht der Flut und all der Unruhe, die ihr vorausgegangen ist. Es gibt da unten eine Menge sozialer Bewegungen, von denen viele durch das inspiriert sind, was wir hier tun. Und was Nirgal tut. Sie beobachten ihn noch und hören ihm zu, auch wenn er nicht spricht. Was er während unseres Besuches sagte, hat immer noch

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