Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars
umgeworfen durch eine simple Diskrepanz in der Mathematik oder eine spätere andere Theorie, die den Job besser erledigt oder leichter zu bestätigen ist?«
»Nein«, sagte Bao. »Etwas so Schönes wie dies hier muß wahr sein.«
»Hmm«, machte Sax. »Ich muß zugeben, daß es mir lieber wäre, wenn etwas Solides zutage treten würde. Etwas wie Einsteins Merkur - eine bekannte Diskrepanz in der vorhergegangenen Theorie, die die neue Theorie beseitigt.«
»Manche Leute würden sagen, daß die fehlende Schattenmaterie die Rechnung begleicht.«
»Möglicherweise.«
Sie lachte. »Ich sehe, du brauchst mehr. Vielleicht können wir doch etwas tun.«
»Nicht unbedingt«, erwiderte Sax. »Obwohl es natürlich hübsch wäre. Ich meine überzeugend. Wenn man etwas besser verstünde, so daß wir besser damit umgehen könnten. Wie das Plasma in den Fusionsreaktoren.« Das war ein Problem, das gerade in einem anderen Labor in Da Vinci bearbeitet wurde.
»Plasmen würden vielleicht besser verstanden, wenn man sie so modellierte, als hätten sie Muster, die von Spin-Netzen aufgeprägt wären.«
»Wirklich?«
»Das ist meine Meinung.«
Sie schloß die Augen, als ob sie alles auf der Innenseite ihrer Lider aufgeschrieben sehen könnte. Alles in der Welt. Sax empfand einen scharfen Stich von Neid oder - Verlust. Er hatte immer nach dieser Art von Einsicht verlangt. Und hier war sie, gleich neben ihm im Boot. Genie unmittelbar zu erleben war faszinierend.
»Glaubst du, daß diese Theorie das Ende der Physik sein wird?« fragte er.
»O nein. Obwohl wir die Grundzüge ausarbeiten könnten. Du weißt, die fundamentalen Gesetze. Das könnte möglich sein, sicher. Aber dann schafft jedes auftauchende Niveau seine eigenen Probleme. Die Arbeit von Taneev kratzt da nur an der Oberfläche. Das ist wie beim Schachspiel. Wir könnten alle Regeln lernen, aber dennoch nicht imstande sein, sehr gut zu spielen, eben wegen auftauchender Eigenschaften. So wie bekanntlich Figuren stärker sind, wenn sie sich außerhalb vom Zentrum des Spielfeldes befinden. Das steht nicht in den Regeln. Es ist ein Resultat aller Regeln zusammengenommen.«
»Wie das Wetter.«
»Ja. Wir verstehen Atome schon besser als das Wetter. Die Wechselwirkungen der Elemente sind zu komplex, als daß man ihnen folgen könnte.«
»Es gibt die Holonomie. Das Studium ganzer Systeme.«
»Aber das ist bisher reine Spekulation. Der Beginn einer Wissenschaft, wenn sich zeigt, daß es funktioniert.«
»Und was ist mit Plasmen?«
»Die sind sehr homogen. Es spielen nur ganz wenige Faktoren hinein, so daß man die Analysen der Spin-Netze anwenden könnte.«
»Du solltest der Fusionsgruppe davon erzählen.«
»Ja. Wirklich?« Sie machte ein überraschtes Gesicht.
»Ja.«
Dann kam ein scharfer Windstoß, und sie brauchten einige Minuten, bis das Boot reagierte. Der Mast zog die Segel knatternd an sich; bis sie wieder angeluvt hatten, und quer zu der auffrischenden Brise in die Sonne fuhren. Auf dem feinen schwarzen Haar, das in Baos Nacken zusammengerafft war, flimmerte Licht. Dahinter lagen die Meeresklippen von Da Vinci. Netzwerke, die bei der Berührung durch die Sonne zitterten - nein. Er konnte es nicht sehen, ob mit offenen oder geschlossenen Augen.
»Hast du dich jemals darüber gewundert«, fragte er vorsichtig, »daß du... eine der ersten großen weiblichen Mathematiker bist?«
Sie machte ein überraschtes Gesicht und wandte den Kopf ab. Er sah, daß sie darüber nachgedacht hatte. »Die Atome in einem Plasma bewegen sich nach Mustern, die große Fraktale der Muster von SpinNetzwerken sind«, erwiderte sie.
Sax nickte und stellte dazu weitere Fragen. Es erschien ihm möglich, daß sie imstande sein würde, der Fusionsgruppe von Da Vinci bei den Problemen zu helfen, die sie dabei hatten, einen Fusionsapparat von geringem Gewicht technisch zu realisieren.
»Hast du dich jemals im Ingenieurwesen betätigt? Oder Angewandte Physik?«
Sie antwortete gekränkt: »Ich bin Physikerin.«
»Ja, aber doch eher Theoretische Physikerin. Ich dachte an die Ingenieurseite.«
»Physik ist Physik.«
Er stieß noch einmal nach, diesmal indirekt. »Wann hast du mit der Mathematik angefangen?«
»Meine Mutti hatte mir mit vier quadratische Gleichungen vorgesetzt und alle Arten mathematischer Spiele. Sie war Statistikerin und auf das alles sehr versessen.«
»Und die Schulen von Dorsa Brevis...«
Sie zuckte die Achseln. »Die waren in Ordnung. Mathematik habe ich zumeist
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