Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars
Ende zu überholen gedachten. Aber er wählte jedes Jahr eine andere Route und traf oft eine Wahl, die so katastrophal aussah, daß einige seiner Verfolger aufgaben und sich in mehr Erfolg versprechende Richtungen wandten. Andere konnten während der zweihundert Tage der Umrundung, die über 21000 Kilometer führte, das Tempo nicht halten. Das erforderte echte Langstreckenkondition. Man mußte sie zu einer Lebensweise erheben und jeden Tag laufen.
Nirgal gefiel das. Er wollte das nächste Rennen rund um die Welt gewinnen, um eine Majorität bei den ersten zehn Läufen zu haben. Er zog aus, um die Route zu erkunden und neue Strecken zu prüfen. Jedes Jahr wurde eine große Anzahl neuer Wege gebaut. Kürzlich war die verrückte Idee aufgetaucht, Treppenpfade in die Flanken der Canyons, Rücken und Böschungen einzufügen, die überall das Hinterland säumten. Die Spur, auf der er sich jetzt befand, war eingerichtet worden, seit er zum letzten Mal in dieser Gegend gewesen war. Sie führte die steile Wand einer Klippe in eine Senke von Aromatum Chaos hinunter; und es gab eine entsprechende Spur auf der gegenüberliegenden Seite der Senke. Wenn man Aromatum direkt durchquerte, würde das einen Lauf viel steiler machen; aber alle flacheren Routen mußten weit nach Norden oder Süden ausweichen. Und Nirgal dachte, wenn alle Pfade so gut wären wie dieser, könnte sich der Aufwand an Höhe doch lohnen.
Die neue Spur benutzte winklige Spalten in der klotzigen Wand der Klippe. Die Stufen glichen einer Intarsienarbeit und waren sehr gleichmäßig eingepaßt, so daß es war, als liefe man in der verfallenen Mauer des Schlosses eines Riesen eine Treppe hinunter. Das Anlegen von Wegen in Klippenwänden war eine Kunst, eine angenehme Arbeit, an der Nirgal sich ab und zu beteiligt hatte, indem er half, gebrochene Steine mit einem Kran herauszuholen und sie oben auf der darunter liegenden Stufe einzufügen. Das bedeutete lange Stunden in einem Sicherungsgeschirr, die Hände behandschuht an den feinen grünen Seilen zu ziehen und große Polygone aus Basalt an ihren Platz zu manövrieren. Der erste Pfadbauer, den Nirgal kennengelernt hatte, war eine Frau gewesen, die einen Weg längs der Flosse der Geryon-Berge, der langen Bergkette auf dem Boden von Ius Chasma, eingerichtet hatte. Er hatte ihr einen ganzen Sommer lang bei dem größten Teil des Grates geholfen. Sie befand sich immer noch irgendwo in Marineris und baute mit ihren Handwerkszeugen und starken Steinsägen, den Flaschenzügen mit extrakräftigen Seilen und Leimbolzen, die stärker waren als der Stein selbst, weitere Strecken aus. Einen Gehweg oder eine Treppe stellte sie peinlich genau aus dem Fels der Umgebung her. Manche Pfade erschienen wie wunderbar hilfreiche natürliche Merkmale, andere wie Römerstraßen und wieder andere massiv und respekteinflößend wie die der Pharaonen oder der Inkas - riesige Blöcke, die mit haargenauer Präzision auf Gesteinshänge oder grobkörniges Chaos eingepaßt worden waren.
Dreihundert Stufen nach unten zählend, dann quer über den Boden der Senke in der Stunde vor Sonnenuntergang, während der Streifen eines samtigen Violetts über dunklen Klippenwänden leuchtete. Kein Pfad hier auf dem beschatteten Sand des Talbodens. Nirgal richtete sein Augenmerk auf die Steine und Pflanzen und lief dazwischen hin. Sein Blick wurde von hellfarbenen Blüten auf den zylindrisch runden Körpern von Kakteen gefesselt, die wie der Himmel leuchteten. Auch sein Körper schimmerte am Ende des Lauftages; und bei der Aussicht auf ein Abendessen nagte der Hunger in ihm. Die Schwäche wurde mit jeder Minute unangenehmer.
Er fand einen Treppenpfad in der westlichen Klippenwand, der immer höher und höher stieg. Er wechselte die Gangart zum Bergaufschreiten, glatt und regelmäßig. Bei den Kehren wandte er sich nach links und rechts und bewunderte die geschickte Anlage der Spur in dem Spaltensystem der Klippe, eine Plazierung, bei der er gewöhnlich mit einem hüfthohen Steinwall auf der freien Seite lief, außer beim Aufstieg auf einem kahlen Felsenstück, wo man an den Blöcken solide Magnesiumleitern befestigt hatte. Er beeilte sich und fühlte, daß seine Oberschenkelmuskeln arbeiteten wie große Gummibänder. Er war erschöpft.
Auf einer Felsleiste zur Linken der Treppe entdeckte er eine flache Stelle mit einer großartigen Sicht auf den langen engen Canyon in der Tiefe. Er verließ den Pfad und hielt inne. Er setzte sich auf einen Stein wie auf
Weitere Kostenlose Bücher