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Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Titel: Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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ihn ansprang, die scharfen Zähne selbst in dem schwachen Licht hell.
    Aber nein. Das Tier verschwand mit seiner Beute und hinterließ nur einen schwankenden Farn.
    Nirgal lief weiter. Der Tag war dunkler, als der Wolkenschatten erklären konnte, eine bösartige Düsterkeit. Er mußte auf den Weg achten. Licht flimmerte durch die Schatten. Weiß stach durch Grün. Jäger und Gejagter. Von Eis gesäumte Teiche im Dunkel. Moos auf Rinde, Farngestalten im Augenwinkel. Hier ein Haufen borstiger Tannenzapfen, dort eine Grube mit Flugsand. Der Tag war kühl, die Nacht würde kalt werden.
    Er lief den ganzen Tag. Sein Rucksack stieß gegen seinen Rücken, er barg fast nichts mehr zu essen. Er war froh, sich seinem nächsten Versteck zu nähern. Manchmal nahm er beim Laufen nur eine Handvoll Müsliriegel mit und lebte aus der Natur, so gut er konnte, sammelte Pinienkerne und fischte. Aber auf solchen Ausflügen war er gezwungen den halben Tag mit der Suche nach Nahrung verbringen; und viel war nicht zu finden. Wenn die Fische anbissen, war ein See ein unglaubliches Füllhorn. Seevölker. Aber bei diesem Lauf ging er mit aller Gewalt von Versteck zu Versteck, aß sieben- oder achttausend Kalorien am Tag und war dennoch abends heißhungrig. Als er zu dem kleinen Trockental kam, das sein nächstes Depot barg, und entdeckte, daß dessen Seitenwand bei einem Erdrutsch zusammengebrochen war, brüllte er vor Enttäuschung und Wut. Er grub sogar etwas in dem Haufen aus losen Steinen. Es war kein großer Bergrutsch gewesen. Aber einige Tonnen würde man entfernen müssen. Keine Chance. Er würde einen scharfen Lauf durch Ophir zum nächsten Depot durchstehen müssen und würde Hunger haben. Er brach in dem Moment auf, da er das erkannte, in der Hoffnung, Zeit zu gewinnen.
    Er sah sich beim Laufen nach eßbaren Dingen um - Pinienzapfen, Wiesenzwiebel, irgend etwas. Er aß sehr langsam die in seinem Pack übrig gebliebene Nahrung und kaute sie, so lange er konnte. Er versuchte, sich einzubilden, dadurch ihren Nährwert zu erhöhen. Er genoß jeden Bissen. Der Hunger hielt ihn einen Teil jeder Nacht wach, obwohl er in den Stunden vor der Dämmerung fest durchschlief.
    Am dritten Tag dieses unerwarteten Hungerlaufs kam er südlich von Juventa Chasma aus dem Wald heraus, in ein Land, das von dem vorzeitlichen Ausbruch des Juventa-Wasserreservoirs zerklüftet war. Es war eine schwere Arbeit, sich durch dieses Land in einer klaren Linie einen Weg zu bahnen; und er war hungriger, als er sich erinnern konnte, jemals gewesen zu sein. Und sein nächstes Depot war noch zwei Tage entfernt. Sein Körper hatte alle seine Fettreserven aufgezehrt, oder es kam ihm so vor, und nährte sich jetzt von den Muskeln selbst. Dieser Autokannibalismus gab jedem Objekt eine scharfe Kante, getönt von etwas Gloriosem. Das Weiße schimmerte aus Dingen heraus, als ob die Realität selbst durchscheinend würde. Bald nach diesem Stadium würde, wie er aus ähnlichen früheren Erfahrungen wußte, der Zustand des lung-gom-pa zu neuen Halluzinationen führen. In den Augen hatte er schon verschiedene kriechende Würmer und schwarze Flecken und Kreise aus kleinen blauen Pilzen und dann grüne eidechsenartige Wesen, die im Sand dahintrippelten, direkt vor seinen verschwommen Füßen - stundenlang hintereinander.
    Er brauchte alle Konzentration, die er aufbringen konnte, um sich in dem zerklüfteten Land zurecht zu finden. Er beobachtete das Gestein unter seinen Füßen und das Land voraus gleichermaßen, den Kopf rauf und runter und wieder rauf und runter, in einer zappelnden Bewegung, die mit seinen Gedanken wenig zu tun hatte, die in einem völlig anderen Rhythmus über nah und fern schweiften. Das Juventa-Chaos unten zu seiner Rechten war eine flache, wirre Senke, über die er auf einen fernen Horizont blicken konnte. Es war, als ob man in eine große, zertrümmerte Schüssel blickte. Das Land vor ihm war uneben, Gruben und Hügel bedeckt mit Steinblöcken und Treibsand, die Schatten zu dunkel und die von der Sonne beschienenen Stellen zu grell. Dunkel und doch blendend. Es war wieder kurz vor Sonnenuntergang, und seine Pupillen wurden vom Licht gequält. Er kam an eine alte Dünenflanke und rutschte über den Sand und das Geröll hinunter, ein traumhafter Abstieg - links, rechts, links. Jeder Schritt führte ihn ein paar Meter abwärts. Seine von Sand und Geröll gepolsterten Füße rutschten im Schüttungswinkel nach unten. Man konnte sich gar zu leicht daran

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