Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars
Schwerkraft des Mars.
D ann ging es am Raumaufzug von Clarke hinunter - eine Reise, die länger dauerte als der Flug von der Erde; und sie war wieder zurück in der Welt, der einzig realen Welt, dem prächtigen Mars. »Es geht nichts über die Heimat«, sagte Zo zu der Menge am Bahnhof in Sheffield. Und dann setzte sie sich vergnügt in einen der Züge, die über die Pisten von Tharsis hinunter und darauf nach Norden zu Echus Overlook fuhren.
Die kleine Stadt war seit ihren frühen Tagen als Hauptquartier des Terraform-Projekts nicht besonders schnell gewachsen. Sie lag etwas abseits und war in die steile Ostwand von Echus Chasma gebaut, so daß man nicht viel von ihr wahrnahm - ein paar Häuser auf dem Plateau oben auf der Klippe, ein Paar am Boden, aber mit drei Kilometern zwischen den beiden, so daß diese sich gegenseitig nicht sehen konnten, mehr wie zwei getrennte Dörfer, die mit einer vertikalen U-Bahn verbunden waren. Wenn die Flieger nicht gewesen wären, Echus Overlook hätte in dieser Position allenfalls als verschlafenes historisches Monument überleben können wie Underhill oder Senzeni Na oder die eisigen Refugien im Süden. Die Ostwand von Echus Chasma aber stand direkt den vorherrschenden Westwinden im Weg, die vom Tharsis- Buckel herunterströmten und zu erstaunlich starken Luftströmungen nach oben führten. Das machte es zu einem Paradies des Vogelflugs.
Zo hätte sich bei Jackie und den für sie arbeitenden Apparatschiki des Freien Mars melden sollen; aber ehe sie in all dies verwickelt wurde, wollte sie fliegen. Also holte sie am Segelflughafen ihren alten Falkenanzug von Santorini aus dem Lager, ging zum Umkleideraum und schlüpfte hinein. Sie fühlte das glatte muskulöse Gewebe vom Exoskelett des Anzugs. Dann ging es hinaus auf den glatten Weg, die Schwanzfedern nachschleppend, und auf das Tauchbrett, einen natürlichen Überhang, der künstlich mit einer Betonplatte verlängert worden war. Sie ging bis zum Ende dieser Platte und erblickte weit unter sich, dreitausend Meter tief, die Sohle von Echus Chasma. Mit dem gewohnten Adrenalinstoß kippte sie nach vorn und fiel senkrecht von der Klippe nach unten. Mit dem Kopf voran immer weiter abwärts. Als sie die Endgeschwindigkeit erreichte, was sie an der Tonhöhe des Brausens erkannte, ergriff sie der Wind am Helm; sie breitete die Arme aus, ließ den Anzug sich versteifen und helfen, die schönen Flügel gespreizt zu halten. Dann kurvte sie mit einem laut dröhnenden Knirschen des Windes in die Sonne empor, wandte den Kopf, krümmte den Rücken, streckte die Zehen und stellte die Schwanzfedern ein - links, rechts, links. Der Wind zog sie immer weiter hoch. Sie legte Füße und Arme aneinander und machte eine enge Drehung und sah erst die Klippe und dann den Boden des Chasmas - immer wieder rund herum im Flug. Zo, der Falke, wild und frei! Sie lachte glücklich. Tränen strömten in ihrer Schutzbrille, wohin der Sog sie trug, und wurden schließlich von der Kraft der Beschleunigung fortgerissen.
Die Luft über Echus war an diesem Morgen fast leer. Nachdem sie sich im Aufwind hatten hochtragen lassen, schwenkten die meisten Flieger nach Norden. Sie stiegen auf oder schössen in eine der Schluchten in der Wand hinunter, wo der Auftrieb nachließ, und es möglich war, mit hoher Geschwindigkeit auf und ab zu sausen. Auch Zo, nachdem sie ungefähr die Höhe von fünftausend Metern über Overlook erreicht hatte und den reinen Sauerstoff des geschlossenen Luftsystems ihres Helms atmete, wandte den Kopf nach rechts, kippte über den rechten Flügel und kurvte fröhlich gegen den Wind, den sie in raschen Griffen über ihren Körper streichen fühlte. Kein Laut außer dem harten Brausen in ihren Schwingen. Der physische Druck auf ihren Körper war eine zarte empfindsame Massage. Sie hatte durch den dichten Anzug hindurch ein Gefühl, als wäre er gar nicht da, als wäre sie nackt und spürte den Wind direkt auf ihrer Haut, so wie sie es sich wünschte, daß es wäre. Ein guter Anzug verstärkte natürlich diesen Eindruck; und sie hatte diesen drei m-Jahre lang benutzt, ehe sie zum Merkur abgereist war. Er paßte wie ein Handschuh. Es was großartig, wieder in ihm zu stecken.
Sie zog nach oben wie ein Falke und stürzte sich dann vorwärts in dem Manöver, das man den fallenden Jesus< nannte. Tausend Meter in die Tiefe. Sie zog die Flügel ein und beschleunigte mit Delphinstößen ihren Sturzflug, bis der Wind laut über sie brauste. Sie passierte
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