Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars
in wiederholten Passagen durch die Atmosphäre aufzubrechen hofften. Wenn das Wasser dieses Mondes auf die Venus herunterregnete, würde es flache Ozeane über ungefähr 70 Prozent des Planeten erzeugen, die die abgedeckten Kohlendioxidgletscher völlig überfluten würden. Es würde eine Atmosphäre aus Sauerstoff und Wasserstoff zurückbleiben, man würde etwas Licht durch den Sonnenschirm dringen lassen; und an diesem Punkt würden menschliche Siedlungen auf den zwei hohen Kontinenten Ishtar und Aphrodite möglich sein. Danach hätte man noch alle Probleme, mit denen der Mars es zu tun gehabt hatte. Darüber hinaus gäbe es die sehr langwierigen, für die Venus typischen Probleme, nämlich die Decken aus CO 2 -Eis irgendwie zu beseitigen und den Planeten auch genügend in Rotation zu versetzen, daß ein vernünftiger Tageszyklus zustande käme. Auf kurze Sicht könnte man kurze Tage und Nächte durch Verwendung des Sonnenschirms als gigantische Jalousie darstellen; aber auf lange Sicht wollte man sich nicht auf etwas so Zerbrechliches verlassen. Sie stellte sich schaudernd vor: In einigen Jahrhunderten wären eine Biosphäre und Zivilisation auf der Venus etabliert, die zwei Kontinente bewohnt, der schöne Diana-Spalt ein hübsches Tal, es gäbe Milliarden von Menschen und Tieren; und dann würde eines Tages der Sonnenschirm abknicken, und - sssssss - eine ganze Welt würde geröstet werden. Keine erquickende Aussicht. Deshalb versuchte man schon jetzt, noch vor dem massiven Erguß des Großen Regens, metallische Windungen als materialisierte Breitenkreise um den Planeten zu legen, die, sobald eine Flotte solar angetriebener Generatoren in fluktuierenden Bahnen um den Planeten installiert wäre, diese Armatur praktisch zu einem gigantischen Elektromotor machen würden, dessen Magnetkräfte den Drehimpuls schaffen würden, um die Rotation des Planeten zu beschleunigen. Die Planer des Systems behaupteten, in etwa der gleichen Zeit, die es erfordern würde, die Atmosphäre auszufrieren und einen Ozean herunterfallen zu lassen, könnte der Schwung dieses >Dyson-Motors< für die Venus genug Rotation liefern, daß es in vielleicht dreihundert Jahren auf der umgeformten Welt Getreidefelder geben würde. Natürlich wäre die Oberfläche stark erodiert und noch sehr vulkanisch, mit unter den Meeren eingesperrtem Kohlendioxid, das bereit war auszubrechen und sie zu vergiften und sie während wochenlanger Tage und Nächte zu sieden und einzufrieren. Aber sie würden trotzdem da sein, und alles wäre nackt, roh und neu.
Der Plan war verrückt. Er war schön. Zo schaute durch die Decke des Ballsaals auf den buckligen grauen Globus und hüpfte aufgeregt von einem Fuß auf den anderen, erschreckt und voller Bewunderung und in der Hoffnung, einen Blick auf die kleinen Punkte der neuen Asteroidenmonde zu erhaschen, auf denen die terraformenden Mystiker wohnten, oder vielleicht auch den koronalen Bogen eines Reflexes von dem Ringspiegel, der auf dem Mars benutzt worden war. Aber sie hatte kein Glück. Nur die graue Scheibe des beschatteten Abendsterns, das Symbol für ein Vorhaben, das die Menschheit in einen neuen Zusammenhang stellte als eine Art Bakterien Gottes, die Welten beknabberten und abstarben, um den Boden für späteres Leben zu bereiten. Im kosmischen Schema der Dinge äußerst verkleinert in einem fast calvinistisch masochistischem Heroismus, einer parodistischen Travestie des Marsprojekts und dennoch ebenso großartig. Sie waren Staubkörner in diesem Universum... Staub! Aber was für Ideen sie hatten!
Um einer Idee willen würden die Menschen alles tun - wirklich alles.
Selbst einen Besuch auf der Erde. Dampfend, klumpig, ansteckend, ein menschlicher Ameisenhaufen, in den man einen Stock gestoßen hatte. Die panische Vermehrung ging weiter, vom entsetzlichen Brei der Geschichte zum denkbar schlimmsten hypermalthusianischen Alptraum, heiß, feucht und schwer. Und dennoch, oder vielleicht gerade deshalb, ein großartiger Ort für Besuche. Und Jackie wollte sowieso, daß sie bei einigen Leuten in Indien vorspräche. Also hatte Zo die Nike genommen und würde später ein MarsShuttle von der Erde aus benutzen.
Aber ehe sie nach Indien ging, um mit Jackies Kontaktpersonen zu sprechen, machte sie ihre gewohnte Pilgerfahrt nach Kreta, um die Ruinen zu sehen, die man hier immer noch minoisch nannte, obwohl man sie in Dorsa Brevia gelehrt hatte, sie nach Ariadne zu benennen. Minos war es schließlich gewesen, der das
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