Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Titel: Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
Vom Netzwerk:
antike Matriarchat abgeschafft hatte. Darum war es eine der vielen Travestien terranischer Geschichte, daß die vernichtete Zivilisation jetzt nach ihrem Vernichter genannt wurde. Aber Namen konnte man ändern.
    Zo trug ein gemietetes Exoskelett, das für Besucher von anderen Welten gedacht war, die unter der Erdschwere litten. Schwerkraft war, wie sie sagten, Schicksal; und die Erde hatte viele Schicksale zu ertragen. Diese Anzüge waren wie Vogelkleider ohne Schwingen, bequeme Overalls, die sich mit den Muskeln des Trägers bewegten und dabei einige Unterstützung boten. Büstenhalter für den Körper. Sie erleichterten nicht alle Auswirkungen der Anziehungskraft, Atmen war immer noch anstrengend, und Zos Glieder fühlten sich in dem Anzug irgendwie schwer an, unbequem gegen den Stoff gepreßt. Sie hatte sich bei früheren Reisen daran gewöhnt, in den Anzügen umherzugehen. Es war eine faszinierende Übung, wie Gewichtheben, aber keine, die ihr besonders gefiel. Immerhin war es besser, als die Alternative, die sich ihr bot. Sie hatte auch die probiert, aber es war eine furchtbare Belastung, die sie ablenkte und daran hinderte, richtig zu sehen und wirklich dort zu sein.
    So ging sie nun in dem merkwürdigen, irgendwie unterwasserartigen Fließen des Gewandes an der alten Stätte von Gournia spazieren. Gournia war ihr von allen Ruinen der Ariadne-Zeit am liebsten, das einzige gewöhnliche Dorf aus jener Zivilisation, das gefunden und ausgegraben wurde. Die anderen Stätten waren alle Paläste. Dieses Dorf war wahrscheinlieh ein Satellit des Palastes von Malia gewesen, geblieben war allerdings nur ein Gewirr hüfthoher Mauern aus übereinandergeschichteten Steinen auf einem Hügel mit Blick auf die Ägäis. Alle Räume waren sehr klein, oft nur ein mal zwei Meter, mit Gängen zwischen weißgetünchten Wänden, wie sie immer noch auf dem Lande zu sehen waren. Man sagte, Kreta sei von der großen Flut schwer getroffen und die Aradnier von den Folgen der Explosion von Thera überrascht worden. Und es stimmte, daß all die hübschen kleinen Fischerhäfen mehr oder weniger überschwemmt und die Ariadne-Ruinen von Zakros und Malia völlig überflutet worden waren. Sie hatte keine Stelle auf der Erde entdeckt, die so gut mit dem Bevölkerungswachstum umging. Überall klammerten sich kleine, weißgetünchte Dörfer wie Bienenkörbe an das Land. Sie bedeckten Hügelkuppen, füllten Täler und waren von Getreidefeldern und Obstgärten umgeben, während die buckligen Berge hoch aus dem landwirtschaftlich genutzten Land herausragten und in plastischen Gebirgsketten bis zum zentralen Rückgrat der Insel aufstiegen. Die Bevölkerung der Insel war auf über vierzig Millionen angestiegen, wie sie gehört hatte; und dennoch sah die Insel immer noch ziemlich genau so aus wie sie sie von früher her kannte. Es gab bloß mehr Dörfer, die zu dem Muster nicht nur der bestehenden, sondern auch der antiken wie Gournia und Itanos paßten. Städteplanung mit einer fünftausend Jahre andauernden Kontinuität seit jenem ersten Gipfel der Zivilisation oder letztem Höhepunkt der Vorgeschichte - so hoch, daß sie selbst vom klassischen Griechenland tausend Jahre später, allein durch mündliche Überlieferung als der Mythos von Atlantis und dann auch in den Gestalten aller Nachfolger, nicht nur auf Kreta, sondern auch in Dorsa Brevia noch undeutlich erkannt wurde. Wegen der in Dorsa Brevia benutzten Namen und der Wertschätzung dieser Kultur des Matriarchats von Ariadne hatten die beiden Stellen eine Verwandtschaft entwickelt. Viele Marsianer kamen nach Kreta, um die antiken Stätten zu besuchen. Es gab nahegelegene neue Hotels, die in etwas größerem Maßstab gebaut waren, um es den hochgewachsenen jungen Pilgern bequem zu machen, welche die heiligen Stätten besuchten: Phaistos, Gournia, Itanos, Mali und Zakros unter Wasser, sogar die lächerliche >Rekonstruktion< von Knossos. Sie kamen und sahen, wie alles begonnen hatte, fern am frühen Morgen der Welt. Auch Zo, die in dem strahlend blauen Licht der Ägäis auf einer fünftausend Jahre alten Steinallee stand, fühlte, wie der Widerhall dieser Größe in sie einströmte, durch die porösen roten Steine unter den Füßen aufstieg und bis in ihr Herz gelangte. Eine Erhabenheit, die nie enden würde.
     
    Der Rest der Erde entsprach allerdings Kalkutta. Nun, das war eigentlich nicht fair. Aber Kalkutta selbst war entschieden Kalkutta. Stinkende Menschheit in ihrer kompaktesten Form. Immer wenn

Weitere Kostenlose Bücher