Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars
ist schön, nicht wahr?« sagte Jackie.
»Eine Touristenfalle«, erwiderte Maya. »Aber eine hübsche. Und sie hält die Touristen sauber beisammen.«
»Mach schon!« sagte Jackie lachend. Sie ergriff Athos Arm. »Wo ist dein Sinn für Romantik?«
»Mein Sinn für Romantik?« fragte Maya, erfreut über diese öffentliche Zurschaustellung von Zuneigung. Die alte Jackie hätte das nicht getan. Es war wirklich ein Schock zu sehen, daß sie nicht mehr jung war. Es war töricht von Maya gewesen, nicht daran zu denken; aber ihr Zeitgefühl war so durcheinander, daß ihr eigenes Gesicht im Spiegel sie immer wieder entsetzte. Sie erwachte jeden Morgen im falschen Jahrhundert. Darum war das Bild von Jackie, wie sie matronenhaft Athos am Arm hielt, genauso unmöglich. Das war doch das frische, gefährliche Mädchen von Zygote, die junge Göttin von Dorsa Brevia!
»Jeder hat einen Sinn für Romantik«, sagte Jackie. Die Jahre machten sie nicht weiser. Wieder eine chronologische Diskontinuität. Vielleicht hatte die häufige Behandlung für Langlebigkeit ihr Gehirn in Mitleidenschaft gezogen. Seltsam, daß nach so anhaltendem Gebrauch der Behandlungen überhaupt irgendwelche Zeichen des Alterns übrig geblieben waren. Woher kam das eigentlich, wenn keine Zellteilungsfehler mehr auftraten? In Jackies Gesicht gab es keine Falten. Man konnte sie in mancher Hinsicht irrtümlich für fünfundzwanzig halten. Und die Miene fröhlicher Boonescher Zuversicht saß so tief wie eh und je. Dies war der einzige Zug, in dem sie John wirklich ähnelte - glühend wie das Neonschild des Cafes über ihnen. Aber trotz alledem sah man ihr ihre Jahre an, irgendwie an den Augen oder an einer psychischen Gestalt, die aller medizinischen Manipulation zum Trotz am Werke war.
Und dann kam eine von Jackies vielen Assistentinnen auf sie zugerannt, kam keuchend, japsend zum Stehen, zog Jackies Arm von Athos weg und schrie bebend: »Sie ist tot.«
»Wer?« fragte Jackie scharf zurück.
Die junge, früh alternde Frau sagte kläglich: »Zo.«
»Zo?«
»Ein Flugunfall. Sie ist ins Meer gestürzt.«
Das sollte sie mäßigen, dachte Maya.
»Natürlich«, sagte Jackie.
»Aber die Vogelanzüge«, protestierte Athos. Auch er wurde älter. »Hat man nicht...?«
»Davon weiß ich nichts.«
»Das spielt auch keine Rolle«, sagte Jackie und brach das Gespräch ab. Später hörte Maya einen Augenzeugenbericht über den Unfall, und das Bild blieb für immer ihrer Erinnerung eingeprägt. Die zwei Flieger kämpften in den Wellen wie nasse Libellen. Sie blieben an der Oberfläche, so daß ihnen nichts geschehen wäre, hätte sie nicht eine der großen Wogen des Nordmeeres erfaßt und gegen den Fuß einer Klippe geschleudert. Danach waren beide leblos in der Gischt getrieben.
Jackie war in sich gekehrt und nachdenklich. Sie und Zo hatten einander nie sehr nahe gestanden, wie Maya gehört hatte. Manche sagten, daß sie sich sogar haßten. Aber das eigene Kind. Man erwartete nicht, seine Kinder zu überleben; das empfand sogar die kinderlose Maya instinktiv so. Aber sie hatten allen Regeln abgeschworen. Biologie hatte für sie keine Bedeutung mehr. Und da waren sie nun. Wenn Ann Peter bei dem fallenden Kabel verloren hätte; wenn Nadia und Art jemals Nikki verloren hätten... selbst Jackie, wie verrückt sie auch sein mochte, mußte das so empfinden.
Und sie empfand es auch so. Sie dachte scharf nach, um den Ausweg zu finden. Aber dazu würde es nicht kommen. Und dann würde sie eine andere Person sein. Altern hatte überhaupt nichts mit Zeit zu tun. »O Jackie«, sagte Maya und streckte eine Hand aus. Jackie kniff die Augen zu, und Maya zog die Hand zurück. »Es tut mir leid.«
Aber gerade dann, wenn man am meisten Hilfe braucht, ist die Isolierung am stärksten. Maya hatte das in der Nacht von Hirokos Verschwinden gelernt, als sie versucht hatte, Michel zu trösten. Man konnte nichts tun.
Maya schob die schniefende Assistentin fast schroff beiseite und nahm sich dann zusammen: »Warum begleitest du Ms. Boone nicht zu eurem Schiff zurück? Und dann halte ihr die Menschen für eine Weile vom Leib!«
Jackie war noch in Gedanken verloren. Ihre Geste gegenüber Maya war rein instinktiv gewesen. Sie war bestürzt und ungläubig, und diese Ungläubigkeit absorbierte alle ihre Bemühungen. Was sollte man von einem menschlichen Wesen auch anderes erwarten?
Vielleicht war es noch schlimmer, wenn man sich schon nicht mit dem Kind verstanden hatte - schlimmer, als
Weitere Kostenlose Bücher