Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars
Hiroko sicher stolz gewesen wäre. In der Tat gab es welche, die sagten, daß die Inselbewohner Hiroko und die verlorenen Kolonisten in einem entlegeneren Eichenhain versteckt und ihnen ein Areal gegeben hätten, wo sie sich ohne Furcht vor Entdeckung bewegen konnten.
Als Maya sich umschaute, fand sie das durchaus plausibel. Es war ebenso sinnvoll wie jedes andere Gerücht über Hiroko, und mehr als die meisten. Aber es gab keinen Weg, es herauszufinden. Aber das spielte auch keine Rolle: Hiroko war entschlossen, sich zu verstecken, wie sie es schon immer gewesen sein mußte. Darum lohnte es sich nicht, deswegen beunruhigt zu sein. Warum sich jemand darum kümmerte, lag Maya fern. Das war nichts Neues. Alles, was jetzt mit Hiroko zu tun hatte, hatte sie stets verschmäht.
Das nördliche Ende der Insel Minus One war weniger gebirgig als der Rest; und als sie auf diese Ebene hinunterkamen, sahen sie die meisten konventionellen Gebäude der Insel zusammengedrängt. Sie waren den Olympischen Spielen der Insel gewidmet, und sahen bewußt griechisch aus. Stadium, Amphitheater, ein heiliger Hain von hochragenden Sequoien und draußen auf einer Erhebung über der See ein kleiner Tempel mit Säulen aus einem weißen Stein, der nicht Marmor war, aber aussah wie Alabaster oder mit Diamanten überzogenes Salz. Oben auf den Hügeln waren zeitweilig Jurtencamps errichtet. Mehrere tausend Menschen schwärmten in dieser Szene umher. Offenbar ein Teil der Inselbevölkerung und eine beträchtliche Anzahl von Besuchern aus dem ganzen HellasBecken. Die Spiele waren noch immer ausschließlich eine Sache von Hellas. Deshalb waren sie überrascht, Sax im Stadion zu finden, wie er half, die Messungen für die Wurfübungen zu machen. Er nahm sie in den Arm und nickte etwas zerstreut. »Heute wirft Annarita den Diskus«, sagte er. »Es dürfte gut werden.«
Und so leisteten Maya und Michel Sax dabei Gesellschaft und vergaßen alles, was über den gegenwärtigen Tag hinausging. Sie standen auf dem inneren Feld und kamen so dicht an die Ereignisse heran, wie sie wünschten. Der Stabhochsprung war Mayas Lieblingssport; er begeisterte sie. Mehr als alles andere illustrierte er ihr die Möglichkeiten der geringen Marsschwere. Obwohl es gewiß allerhand Technik erforderte, daraus Nutzen zu ziehen. Der hüpfende, aber kontrollierte Anlauf, das genaue Aufsetzen des extrem langen Stabes beim Vorwärtssprung, der Sprung selbst, der Zug, die Wölbung, wenn die Füße zum Himmel wiesen; dann der katapultierte Flug in den Raum mit umgedrehtem Körper, wenn der Springer über den biegsamen Stab hinausschoß, und hinauf, hinauf. Danach die saubere Drehung über der Stange (oder nicht) und der lange Fall auf ein Luft-Gel-Kissen. Der Marsrekord war 14 Meter; und der jetzt springende Mann, schon Tagesgewinner, versuchte es mit 15, versagte aber. Als er auf dem Kissen landete, bemerkte Maya, wie groß er war, mit kräftigen Schultern und Armen, aber sonst schlank bis zur Magerkeit. Die weiblichen Springer warteten, bis sie an der Reihe waren, sahen aber fast genauso aus.
So war das bei allen Wettkämpfen. Alle Sportler waren groß und hatten feste Muskeln, die neue Spezies, dachte Maya, die sich selbst klein, schwach und alt vorkam. Homo martialis. Zum Glück hatte sie starke Knochen und hielt sich gut, sonst hätte sie sich geschämt, unter solchen Kreaturen zu wandeln. Sie war sich ihrer herausfordernden Anmut nicht bewußt, als die zusah, wie die ihnen von Sax bezeichnete Diskuswerferin sich in einem beschleunigenden Schwung drehte, so daß die Scheibe davonschoß, als ob sie von einer Tontaubenmaschine geschleudert würde. Diese Annarita war sehr groß, mit langem Rumpf und breiten, geschmeidigen Schultern und hübschen, durch einen Einteiler zusammengedrückten Brüsten. Besonders ins Auge fiel der volle starke Hintern über kräftigen langen Schenkeln. Ja, wirklich eine Schönheit unter Schönheiten. Und so stark, obwohl klar war, daß die Geschwindigkeit ihrer Drehung den Diskus so weit schleuderte. Michel rief lächelnd: »Einhundertachtzig Meter! Welche Freude für Sie.«
Und die Frau war zufrieden. Sie alle strengten sich im Moment des Wettkampfes intensiv an und standen dann herum, versuchten, sich und ihre Muskeln zu entspannen und scherzten miteinander. Es gab keine Offiziellen und keinen Anschreibeblock, sondern nur Helfer wie Sax. Leute wechselten sich bei Wettkämpfen, an denen sie nicht selbst teilnahmen, ab. Die Läufe wurden mit einem
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