Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Titel: Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
Vom Netzwerk:
ganze Fläche zu einem großen Fjellfeld, das sich wie ein Teppich langsam über das Gestein breitete. Sie zerlegten die verwitterten Mineralien und verbanden sich mit ihnen zu den ersten Böden. Ein sehr langsamer Prozeß. In jedem bißchen Boden steckte große Komplexität. Und der Anblick dieses Fjellfeldes war das Lieblichste, das er je gesehen hatte.
     
    Nun zum Wetter. In der ganzen Welt herrschte Wetter. Der erste gedruckte Gebrauch dieses Wortes war, recht passend, 1665 in einem Buch über Stonehenge aufgetreten. »Die Witterung so vieler Jahrhunderte.« Auf dieser steinernen Welt. Witterung. Sprache als die erste Wissenschaft, exakt und dennoch vage oder vieldeutig. Dinge zusammenwerfen. Der Geist als Wetter. Oder bewettert.
    Über den nahen Hügel im Westen kamen Wolken heran. Ihre Unterseiten ruhten auf einer thermischen Schicht so gleichmäßig, als ob sie auf Glas drückten. Bänder wie gesponnene Wolle wiesen den Weg nach Westen.
    Sax stand auf und kletterte aus der Senke des Teichs empor. Heraus aus dem Schutz des Lochs, in den erschreckend starken Wind. Die Kälte intensivierte sich, als ob in eben dieser Sekunde eine Eiszeit mit voller Kraft zugeschlagen hätte. Das machte natürlich der Faktor der Windabkühlung. Wenn die Temperatur 262 K betrug und der Wind mit etwa siebzig Kilometern in der Stunde blies, mit Böen, die viel schneller waren, dann würde der Faktor der Abkühlung durch Wind eine Temperatur erzeugen, die etwa 250 K entsprach. Was das richtig? Das war wirklich sehr kalt dafür, sich ohne Helm im Freien aufzuhalten. Und tatsächlich wurden seine Hände taub. Auch seine Füße. Und sein Gesicht war schon gefühllos wie eine dicke Maske vor seinem Kopf. Er erschauerte, und sein Lidschlag schien sich zu verkleben, weil seine Tränen festfroren. Er mußte zu seinem Wagen zurückkehren.
    Er stapfte über den steinigen Grund, erstaunt über die Macht des Windes, die Kälte so zu verstärken. Er hatte eine derartige Windkälte seit seiner Kindheit nicht mehr erlebt und seither vergessen, wie kalt es einem wurde. Er stolperte in den Windstößen auf eine leichte Erhöhung der alten Lava und blickte den Hang hinauf. Dort war sein Rover - groß, lebhaft grün und schimmernd, ungefähr zwei Kilometer höher, wie ein Raumschiff. Ein sehr willkommener Anblick.
    Aber jetzt flog der Schnee horizontal an ihm vorbei und gab eine dramatische Demonstration der großen Windgeschwindigkeit. Kleine Körnchen klapperten gegen seine Schutzbrille. Er ging blind weiter in Richtung Rover, hielt den Kopf gesenkt und beobachtete, wie der Schnee über die Felsen wirbelte. Es war so viel Schnee in der Luft, daß er glaubte, seine Brille würde sich beschlagen. Aber nach einem sehr mühsamen Unternehmen, sie innen abzuwischen, wurde klar, daß die Kondensation tatsächlich draußen in der Luft stattfand. Feiner Schnee, Nebel, Staub - das war schwer zu sagen.
    Er stapfte weiter. Als er das nächste Mal aufblickte, war die Luft so dick, daß er nicht bis zum Rover sehen konnte. Da war nichts zu machen, als weiter zu drängen. Es war ein Glück, daß der Anzug gut isoliert war und eingenähte Heizelemente hatte, denn selbst bei auf höchste Kraft gestellter Wärme schnitt die Kälte in seine linke Seite, als ob er der Zugluft voll ausgesetzt wäre. Die Sicht betrug nur etwa zwanzig Meter und änderte sich rasch, je nachdem, wieviel Schnee gerade in dem Moment vorbeirauschte. Er befand sich in einer amorphen, sich ausdehnenden und zusammenziehenden weißen Blase, die mit fliegendem Schnee durchsetzt war und dem, was eine Art von gefrorenem Nebel oder Dunst zu sein schien. Es schien, als ob er sich mitten in dem Sturm selbst befände. Seine Beine waren steif. Er schlang die Arme um die Brust und steckte seine behandschuhten Hände in die Achselhöhlen. Es gab keine Möglichkeit zu erkennen, ob er noch in der richtigen Richtung ging. Er schätzte aber, daß er noch auf dem gleichen Kurs war wie zu dem Zeitpunkt, als die Sicht verschwand. Es schien aber auch, daß er schon eine ausreichend weite Strecke zum Rover gegangen war.
    Auf dem Mars gab es keine Kompasse. Es gab aber APS-Systeme in dem Apparat an seinem Handgelenk und im Wagen. Außerdem konnte er auf seinem Handy eine detaillierte Karte abrufen und dann den direkten Weg zum Wagen gehen. Das schien eine beträchtliche Anstrengung zu sein, was ihn auf die Idee brachte, daß sein Denken, wie sein Körper, durch die Kälte beeinflußt würde. Aber schließlich war es

Weitere Kostenlose Bücher