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Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Titel: Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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hinterlassen. Windplatten, zum Teil geschmolzen und wieder gefroren. Eine ausgezackte Platte zerbrach unter seinen Füßen, und er fand sie mehrere Zentimeter stark. Darunter war Pulver oder Granulat. Seine Finger waren trotz der geheizten Handschuhe kalt.
    Er richtete sich wieder auf und wanderte ohne Karte über das Gestein. Einige tiefere Löcher enthielten Eispfützen. Gegen Mittag stieg er in eines davon hinunter und aß seinen Lunch an dem Eis-Teich. Dabei hob er die Luftmaske an, um von einem Riegel aus Honig und Getreide abzubeißen. In einer Höhe von 4,5 Kilometer betrug der Luftdruck 267 Millibar. Die Sonne stand tief am Nordhimmel, ein heller Punkt, umgeben von Zinn.
    Das Eis in dem Teich war stellenweise klar, wie ausgestattet mit kleinen Fenstern, die einen Blick auf den schwarzen Boden gestatteten. Überall war das Eis blasig oder rissig oder weiß von Reif. Die Bank, auf der er saß, war eine Rundung aus Kies, mit Flecken braunen Bodens und schwarzer toter Vegetation, die in einem Wall darauf lagen, offenbar eine Bodengrenze über der Schicht aus Kies. Das ganze Ufer war nicht mehr als vier Meter lang und einen breit. Der feine Kies hatte die Farbe von Umbra, scheckigem Umber oder... Er müßte eine Farbtafel hinzuziehen. Aber nicht jetzt.
    Der Bodenwall war von kleinen blaßgrünen Rosetten aus winzigen Grashalmen punktiert. Längere Halme standen in klumpigen Büscheln hier und da. Die meisten größeren Halme waren tot und hellgrau. Ganz nahe an dem Teich waren Flecken von dunkelgrünen fleischigen Blättern mit dunkelgrünen Rändern. Wo das Grün ins Rot überging, ergab sich eine Farbe, die er nicht benennen konnte, ein dunkles glänzendes Braun, das irgendwie mit den beiden es bildenden Farben gefüllt war. Es schien, daß er bald doch eine Farbkarte aufrufen müßte. Als er sich später im Freien umsah, erschien eine solche ungefähr einmal in der Minute auf dem Display seines Handys. Unter manchen dieser zweifarbigen Blätter waren wachsartige, fast weiße Blüten verborgen. Ferner lagen da einige Tangarten mit roten Stielen und grünen Nadeln, wie angeschwemmtes Seekraut en miniature. Wieder diese Mischung von Rot und Grün, die ihn hier direkt in der Natur anstarrte.
    Ein fernes, vom Wind verwehtes Summen. Vielleicht die Harfentöne von Felsen, vielleicht das Brummen von Insekten. Schwarze Mücken, Bienen... In dieser Luft würden sie nur etwa 30 Millibar CO2 auszuhalten haben, weil so wenig Partialdruck in sie eindrang und an mancher Stelle die innere Sättigung ausreichte, um etwas mehr davon draußen zu halten. Bei Säugetieren würde das wohl nicht so gut funktionieren. Aber sie könnten imstande sein, 20 Millibar zu vertragen; und wenn Pflanzenleben auf allen geringen Höhen des Planeten gedieh, könnte der Kohlendioxidgehalt recht bald auf 20 Millibar sinken. Dann konnten sie auf die Lufttanks und Gesichtsmasken verzichten und auf dem Mars Tiere freisetzen.
    Im schwachen Summen der Luft schien er ihre Stimmen zu hören, immanent oder aufsteigend, die in dem nächsten großen Aufschwung von Viriditas kommen würden. Das Summen ferner Stimmen; der Wind; der Friede dieses kleinen Teichs auf seinem steinigen Moor; das nirgalische Vergnügen, das er an der scharfen Kälte hatte... »Ann sollte das hier sehen!« murmelte er.
    Nachdem die Raumspiegel nun fort waren, war alles, was er hier sah, dem Untergang geweiht. Dies war die Obergrenze der Biosphäre; und mit dem Verlust an Licht und Wärme würde die Obergrenze sinken, zumindest zeitweilig, vielleicht für immer. Das gefiel ihm nicht; und es schien möglich, daß es Wege geben könnte, für das verlorene Licht einen Ausgleich zu finden. Schließlich war das Terraformen vor dem Erscheinen der Spiegel recht gut vorangekommen. Die Spiegel waren nicht notwendig gewesen. Und es war gut, nicht von etwas so Zerbrechlichem abhängig zu sein; und besser, sich davon jetzt frei zu machen als später, wenn große Tierpopulationen zusammen mit den Pflanzen bei dem Rückschlag hätten sterben können.
    Aber selbst so war es eine Schande. Diese tote Pflanzensubstanz würde am Ende mehr Dünger ergeben; und doch wog das Leid von Tieren schwerer. Das war wenigstens anzunehmen. Wer wußte, wie Pflanzen fühlen? Wenn man sie genau anschaute, wie sie in all ihrer detaillierten Gliederung wie komplexe Kristalle leuchteten, waren sie ebenso geheimnisvoll wie jede andere Art von Leben. Und jetzt machte ihre Anwesenheit hier alles, was er sehen konnte, die

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