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Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Titel: Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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klangen sehr besorgt, konnten aber nichts tun. Er fühlte Unruhe in ihren Stimmen.
    Es schien viele Minuten zu dauern, bis ihm etwas anderes einfiel. Wenn man unterkühlt war, dann wurde der Blutstrom zu den Gliedern stark reduziert.
    Vielleicht galt das auch für den Cortex, indem das Blut vorzugsweise ins Kleinhirn floß, damit dieses bis zum Ende seine Aufgabe erfüllen konnte.
    Es verging mehr Zeit. Anscheinend war die Dunkelheit nahe. Er sollte wieder rufen. Ihm war zu kalt. Es schien etwas nicht zu stimmen. Vorgerücktes Alter, Höhenlage, Kohlendioxidniveau - irgendein Faktor, oder eine Kombination solcher, machte es schlimmer, als es sein sollte. Er konnte in einer einzigen Nacht durch seine ungeschützte Lage sterben. Und eben das schien er gerade zu tun. So ein Sturm! Vielleicht durch den Verlust der Spiegel. Bevorstehende Eiszeit. Aussterben.
     
    Der Wind machte seltsame Geräusche, wie Rufe. Ohne Zweifel starke Böen. Wie schwache Rufe: »Sax! Sax! Sax!«
    Hatten sie jemanden eingeflogen? Er schaute hinaus in den Sturm. Die Schneeflocken fingen irgendwie das späte Licht ein und flogen über ihm wie weißes Rauschen.
    Dann sah er zwischen seinen von Eis verkrusteten Wimpern eine Gestalt aus der Dunkelheit auftauchen. Klein, rund, mit Helm. »Sax!« Der Klang war verzerrt. Er kam aus einem Lautsprecher im Helm der Gestalt. Die Techniker von Da Vinci waren sehr erfinderische Leute. Sax versuchte zu antworten, stellte aber fest, daß er zum Sprechen zu schwach war. Es erforderte bereits eine gewaltige Anstrengung, bloß die Stiefel aus dem Loch zu ziehen. Aber das schien das Auge der Gestalt auf sich zu ziehen, denn diese wandte sich um und marschierte zielstrebig durch den Wind. Sie bewegte sich wie ein geschickter Seemann auf einem schwankenden Deck und schlängelte sich durch die Windstöße. Dann erreichte sie ihn, bückte sich und packte Sax am Handgelenk. Durch die Visierscheibe sah er ihr Gesicht so deutlich wie durch ein Fenster. Es war Hiroko. Sie zeigte ihr flüchtiges Lächeln und zog ihn aus seiner Höhle. Sie zerrte so stark, daß die Knochen seiner linken Hand schmerzhaft knackten.
    »Au!« krächzte er.
    Draußen im Wind war die Kälte wie der Tod persönlich. Hiroko zog seinen linken Arm über die Schulter und führte ihn an der niedrigen Böschung vorbei direkt in die Zähne der Windsbraut, wobei sie sein Handgelenk genau oberhalb des Handys festhielt.
    Er murmelte: »Mein Rover ist in der Nähe«, lehnte sich kräftig auf sie und bewegte seine Beine schnell genug, um feste Fußabdrücke zu machen. Es war so gut, sie wiederzusehen. Ihre solide kleine Statur, sehr kräftig wie immer.
    Sie sagte über Lautsprecher: »Er ist da drüben. Du bist ziemlich nahe dran.«
    »Wie hast du mich gefunden?«
    »Wir haben deine Spur verfolgt, als du von Arsia herunterkamst. Als dann heute der Sturm zuschlug, habe ich dich gesucht und gesehen, daß du außerhalb deines Rovers warst. Danach kam ich heraus, um zu sehen, wie es dir ging.«
    »Danke!«
    »Du mußt bei Stürmen vorsichtig sein!«
    Dann standen sie vor seinem Rover. Sie ließ sein Handgelenk los, das schmerzhaft pochte. Sie drückte ihre Visierscheibe gegen seine Schutzbrille und sagte: »Rein mit dir!«
    Er kletterte vorsichtig die Stufen zur Tür des Rovers empor, öffnete sie und fiel hinein. Er drehte sich unbeholfen zur Seite, um für Hiroko Platz zu machen; aber sie war nicht in der Tür. Er lehnte sich in den Wind zurück und schaute sich um. Sie war nicht zu sehen. Es war dunkel. Der Schnee sah schwarz aus. Er rief: »Hiroko!«
    Keine Antwort.
    Er schloß die Tür der Schleuse, plötzlich erschrocken. Sauerstoffmangel. Er setzte die Schleuse unter Druck und fiel durch die innere Tür in den kleinen Umkleideraum. Es war fürchterlich warm, die Luft ein Dampfstrahl. Er zupfte vergeblich an seiner Kleidung und kam nicht voran. Dann machte er sich methodischer dran. Brille und Gesichtsmaske herunter. Die waren mit Eis verkrustet. Ah! Vielleicht war seine Luftzufuhr in dem Rohr zwischen Tank und Maske durch Eis behindert. Er holte einige Male tief Luft, und überstand sitzend einen neuen Schwindelanfall. Dann zog er an seiner Kapuze und öffnete den Reißverschluß des Anzugs. Das Ausziehen der Stiefel überstieg fast seine Kräfte. Dann der Anzug. Sein Unterzeug war kalt und klamm. Seine Hände brannten wie Feuer. Das war ein gutes Zeichen, ein Beweis dafür, daß er keine wesentlichen Erfrierungen erlitten hatte. Dennoch war es eine

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