Mars
wir krank sind. Brumado mu ß erfahren, was mit seiner Tochter und uns ü brigen los ist, aber die Medien d ü rfen auf keinen Fall Wind davon kriegen. Die w ü rden durchdrehen. Marsfieber! Alles, was wir erreicht haben, wird Schnee von gestern sein, sobald sie argw ö hnen, da ß einer von uns auch nur einen leichten Schnupfen hat.
Ihm kam zu Bewu ß tsein, da ß es Menschen auf der Erde gab, die Angst vor jedwedem Leben auf dem Mars haben w ü rden. Die Vorstellung von Leben auf anderen Welten zerst ö rte ihren tr ö stlichen Eigend ü nkel, attackierte ihre religi ö sen Ü berzeugungen, zertr ü mmerte ihr Bild vom Universum. Oder noch schlimmer. Die UFO-Spinner werden ausflippen! Sie werden zuallermindest mit einer marsianischen Invasion rechnen. Der Gedanke erschreckte Jamie. Stimmte ihn ü ber alle Ma ß en traurig.
Zerstreut und innerlich aufgew ü hlt beugte Jamie sich ü ber die Kontrolltafel und schaltete die Scheinwerfer des Rovers ein. Als er wieder durch den Thermovorhang sp ä hte, sah er ein weiches, diffuses graues Licht, das nichts enth ü llte, nur ein konturloses Schimmern, wie einen dicken, wogenden Nebel. Der Marswind sang sein endloses Lied, obwohl Jamie den Eindruck hatte, da ß es nun ein bi ß chen tiefer klang als zuvor. Er fragte sich, ob das gut oder schlecht war.
Sie werden uns morgen zur ü ckholen, soviel steht fest. Ohne da ß wir auch nur in die N ä he des Felsendorfes gekommen w ä ren. Sie werden sagen, wir seien zu krank, um weiterzufahren, und uns den Befehl geben, zur Kuppel zur ü ckzukehren.
Jamie wu ß te, da ß es richtig war. Vier Menschenleben hingen davon ab. Doch als er in die perlmuttgrauen Wolken hinausschaute, die an der Kanzel des Rovers vorbeiwehten, fragte er sich, ob er sie irgendwie dazu bewegen konnte, sie weiterfahren zu lassen, statt ihnen den Befehl zum R ü ckzug zu geben.
Ich k ö nnte zu Fu ß gehen, dachte er. Ich k ö nnte von hier aus dorthin gehen und das Dorf sehen, k ö nnte die Felswand hinaufklettern und meine H ä nde darauflegen. Ich k ö nnte es tun.
Und dann sterben. Es g ä be keinen R ü ckweg mehr f ü r mich; der Anzug kann seinen Tr ä ger nicht so lange am Leben erhalten. Aber ich k ä me wenigstens hin und s ä he es mit eigenen Augen. Es w ä re kein schlechter Ort zum Sterben. Vielleicht ist das der Sinn meines Traums.
Tony Reed fand ebenfalls keinen Schlaf.
Als das Licht automatisch für die Nacht gedämpft worden war, hatte er sich natürlich wie die sieben anderen, die in der Kuppel wohnten, in seine Kabine zurückgezogen. Wosnesenski bestand darauf, daß sie sich genau an den Missionsplan hielten, sofern kein dringender Notfall vorlag. Mikhail Andrejewitsch wurde immer pedantischer, seit die Krankheit von ihm Besitz ergriffen hatte; obendrein war er griesgrämig und grüblerisch.
Sobald Reed das tiefe Schnarchen des Russen h ö rte – es klang wie ein Trecker, der auf dem Acker hin und her rumpelte – , stand er von seiner Liege auf und schlich in seinen dicken Pantoffelsocken auf Zehenspitzen ins Krankenrevier zur ü ck. Im Dunkeln wirkte die Kuppel k ä lter auf ihn. Er wagte es nicht, die Deckenlampe einzuschalten, als er an den stillen Arbeitspl ä tzen vorbeitappte. Im Krankenrevier schob er die T ü r hinter sich zu, tastete sich um seinen Schreibtisch herum zu seinem Stuhl und streckte die Hand zum Computer auf dem Tisch aus, w ä hrend er sich hinsetzte. Er suchte den Netzschalter mit den Fingern, fand ihn und schaltete den Computer ein. Der kleine Bildschirm leuchtete orange auf wie ein munteres Feuer.
Sie sterben, dachte Reed. Sie sterben alle, und sie erwarten von mir, da ß ich sie rette. Und ich wei ß nicht, was ich tun soll! Er lie ß die Daten der letzten medizinischen Tests durchlaufen. Nichts Neues. Nichts, was ihm auch nur den leisesten Hinweis darauf lieferte, was sie infiziert haben mochte.
Tony starrte kopfsch ü ttelnd auf den Bildschirm. Er selbst f ü hlte sich gut; er war ein bi ß chen m ü de, seine Augen brannten von der Ü beranstrengung, aber ansonsten ging es ihm bestens. Keins der Symptome, die die anderen zeigten. Wie kann das sein, fragte er sich. Wir essen alle das gleiche, atmen dieselbe Luft. Aber die anderen sind allesamt krank, im Rover und hier in der Kuppel. Blo ß ich nicht.
Reed lehnte sich zurück, schloß die Augen halb und legte die Spitzen der langen Finger auf der Brust aneinander. Denk nach, Mann, fauchte er sich an. Benutz das Gehirn da oben in deinem Schädel
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