Mars
sicher, daß er Schneefahnen sah, die über den breiten, zerklüfteten Highway des Gletschers auf sie zukamen.
Das um die Manschette seines Parkas geschnallte Thermometer zeigte, da ß die Temperatur rasch fiel. Sie betrug jetzt 39 Grad unter Null; bei der Eisesk ä lte des Windes mu ß ten es eher 60 Grad oder mehr sein.
» Ich rufe in McMurdo an, da ß sie den Hubschrauber herschicken « , rief er Hoffmann und Joanna zu.
» Nein! Bitte nicht! « rief sie zur ü ck. Ihre Stimme wurde von der Maske ged ä mpft. » Nicht f ü r mich. Ich komme schon zurecht. «
» Sie frieren sich zu Tode. «
Sie antwortete nicht, sondern sch ü ttelte st ö rrisch den Kopf. Hoffmann sagte nichts. Er stand einfach da, die behandschuhten F ä uste in die H ü ften gest ü tzt, und hatte offensichtlich M ü he, Luft zu holen. Jamie konzentrierte seine Aufmerksamkeit auf Joanna, ein winziges, elendes B ü ndel in dem unf ö rmigen Kapuzenparka und der Gesichtsmaske mit der Brille.
Unsicher drehte er sich um und schaute wieder zu dem n ä herkommenden Sturm hinauf. Furcht rankte sich an seinem R ü ckgrat empor. Vielleicht noch eine Stunde, sch ä tzte er. Vielleicht weniger.
Dann sah er den Stein. Er war ungef ä hr so gro ß wie eine M ä nnerfaust, ein dunkles, nicht hierher geh ö riges Ding, das auf der unebenen, schrundigen Fl ä che des Gletschers lag, als h ä tte es auf ihn gewartet, als h ä tte jemand es dorthin gelegt, damit er es bemerkte.
» Seht! « Er zeigte auf den Stein.
Er lief hin, wobei er auf dem geborstenen, zerkl ü fteten Eis beinahe gest ü rzt w ä re, lie ß Hoffmann beim Ger ä teschlitten zur ü ck, verga ß die ersch ö pfte, frierende Frau, die neben Hoffmann stand.
Er kniete sich aufs Eis und schaute auf seine Entdeckung hinunter. Schwarz, zernarbt wie die abgerundete Nase einer Rakete nach dem Wiedereintritt in die Atmosph ä re – der Stein war eindeutig ein Meteorit. Konnte er vom Mars stammen? Jamie hatte bei seinen Exkursionen auf dem Gletscher vier weitere Steine gefunden. Sie waren alle Entt ä uschungen gewesen, nicht mehr als ordin ä re › Sternschnuppen ‹.
Dieser jedoch sah anders aus. Ein Shergottit, jede Wette. Vor ein paar hundert Millionen Jahren durch einen gewaltigen Meteoriteneinschlag vom Mars weggesprengt. Gott wei ß , wie lange er durchs All gereist ist, bevor er schlie ß lich vom Schwerkraftschacht der Erde eingefangen wurde und in diesen Gletscher gest ü rzt ist. Wahrscheinlich ist er seit Jahrmillionen im Eis gefangen und hat darauf gewartet, zur Oberfl ä che emporzusteigen, wo ihn jemand finden konnte. Ich.
» Ist es … ? «
Jamie drehte sich um und sah, da ß Hoffmann ihm ü ber die Schulter blickte.
» Er stammt vom Mars! « rief Jamie.
» Sind Sie sicher? « Die Z ä hne des Ö sterreichers klapperten h ö rbar.
» Schauen Sie ihn sich an! Wo er nicht geschw ä rzt ist, ist er rosa, Herrgott noch mal! « sagte er, au ß erstande, seine Erregung zu verbergen. » Zuallermindest ist er gut genug, um uns heimzubringen. « Er w ü hlte in den tiefen Taschen seines Parkas, bekam schlie ß lich das handtellergro ß e Funkger ä t zu fassen und hob es an die Mundklappe seiner Gesichtsmaske. » Ich rufe den Hubschrauber. Wir haben etwas Wichtiges gefunden. Dieser Steinbrocken ist unser R ü ckflugticket nach McMurdo. «
Niemand konnte es ihnen verdenken, da ß sie ihre Zeit auf dem Gletscher abk ü rzten. Nicht, wenn sie m ö glicherweise ein St ü ck vom Mars in ihren behandschuhten H ä nden hielten und ein br ü llender Schneesturm den Berg herab auf sie zugerast kam.
8
Fast zwölf Stunden später ging Jamie müde vom Geologielabor zu seiner Unterkunft. Innerlich war ihm immer noch kalt. Der Sturm, der den Berg herabgekommen war, hatte die Basis am McMurdo Sound erfaßt, hatte draußen vor den dick isolierten Wänden geheult wie ein angreifendes Barbarenheer und Schnee bis zur Dachkante aufgehäuft. In der Basis war es jedoch kuschelig warm, als Jamie durch den engen, niedrigen Flur langsam zu seinem winzigen Kabuff stapfte. Trotzdem fühlte er sich noch immer nicht ganz aufgetaut.
Joannas Zimmer war nahe bei seinem, und ihre Tür stand offen. Er warf einen Blick hinein. Joanna saß an ihrem Schreibtisch. Ihre Finger huschten über die Tastatur ihres Laptops.
Sie blickte auf und sah Jamie.
» Bitte kommen Sie herein « , sagte sie. » Ich habe auf Sie gewartet. «
Sie stand vom Schreibtischstuhl auf und kam auf ihn zu. F ü r Jamie sah Joanna
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