Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea
auf.
Das Gespräch ging mir auf die Nerven. Die Angst davor, den Kleinen an eine andere Frau zu verlieren, konnte ich verstehen. Besonders den Jüngsten.
Die italienischen Mütter beherrschen dieses Spiel sehr gut. Aber da war noch etwas anderes. Gélou sagte mir nicht alles, das spürte ich.
»Ich will keinen Rat, Fabio, sondern deine Hilfe.«
» W enn du glaubst, dich an einen Polizisten zu wenden, hast du dich in der Adresse geirrt«, sagte ich kühl.
»Ich weiß. Ich habe bei der Polizei angerufen. Du bist seit über einem Jahr nicht mehr dabei.«
»Ich habe gekündigt. Eine lange Geschichte. Wie dem auch sei, ich war sowieso nur ein kleiner Vorstadtbulle. In den nördlichen Stadt - teilen!«
»Ich bin zu dir gekommen, nicht zu dem Polizisten. Ich will, dass du ihn suchst. Ich habe die Adresse von dem Mädchen.«
Jetzt verstand ich gar nichts mehr.
»Warte, Gélou. Erklär mir das. Warum bist du nicht direkt hingegangen, wenn du die Adresse hast? Warum hast du nicht wenigs - tens angerufen?«
»Ich habe angerufen. Gestern. Zweimal. Ihre Mutter war am Apparat. Sie hat gesagt, sie kenne keinen Guitou. Sie habe ihn nie gesehen. Und ihre Tochter sei nicht da. Sie sei bei ihrem Großvater, und der habe kein Telefon. Irgend so was.«
»Vielleicht stimmt das.« Ich dachte nach, versuchte, Ordnung in das ganze Durcheinander zu bringen. Aber mir fehlten noch einige Fakten, da war ich sicher.
»Woran denkst du?«
»Was für einen Eindruck hat sie auf dich gemacht, die Kleine?«
»Ich hab sie nur einmal gesehen. Am Tag ihrer Abreise. Sie hat Guitou zu Hause abgeholt, damit er sie zum Bahnhof begleitete.«
»Wie ist sie?«
»So lala.«
»Wie so lala? Ist sie hübsch?«
Sie zuckte die Schultern. »Mhm.«
»Ja oder nein? Verdammt! Was hat sie? Ist sie hässlich? Behindert?«
»Nein. Sie ist ... Nein, sie ist hübsch.«
»Na, man könnte denken, das tut dir weh. Meinst du, sie hat es nicht ernst gemeint?«
Sie zuckte wieder mit den Schultern, und das Ganze begann mir langsam auf den Geist zu gehen.
»Ich weiß es nicht, Fabio.« Das sagte sie mit Panik in der Stimme. Ihre Augen wurden unstet. Wir kamen der Wahrheit dieser Ge - schichte näher.
»Was heißt, du weißt es nicht? Hast du nicht mit ihr gesprochen?«
»Alex hat sie rausgeschmissen.«
»Alex?«
»Alexandre. Der Mann, mit dem ich zusammenlebe, seit ... fast seit Ginos Tod.«
»Aha. Und warum hat er das gemacht?«
»Sie ... Die Kleine ist Araberin. Und ... Die mögen wir halt nicht so.«
Es war heraus. Da lag des Pudels Kern. Plötzlich konnte ich Gélou nicht mehr ansehen. Ich drehte mich weg, zum Meer. Als wenn es auf alles eine Antwort hätte. Ich schämte mich. Am liebsten hätte ich Gélou rausgeschmissen, aber sie war meine Cousine. Ihr Sohn war abgehauen, er lief Gefahr, den Schulanfang zu verpassen, und sie war beunruhigt. Und das konnte ich trotz allem verstehen.
»Wovor hattet ihr Angst? Dass die kleine Araberin ein Schandfleck für euch ist? Das kann doch wohl nicht wahr sein, verflucht noch mal! Weißt du, wo du herkommst? Erinnerst du dich noch, wer dein Vater war? Wie sie ihn gerufen haben? Ihn, meinen? Alle Nabos, alle, die aus Neapel stammten? Hafenköter! Ja! Sag bloß, dass du nicht darunter gelitten hast, dort geboren zu sein, im Panier-Viertel bei den Hafenkötern! Und du erzählst mir was von Arabern! Nur weil du einen Saab fährst und ein bescheuertes Schneiderkostüm trägst, bist du heute was Besseres. Wenn man für den Personalausweis einen Abstammungstest machte, würdest du als Araberin abge - stempelt werden.«
Sie stand auf, außer sich. »Ich habe italienisches Blut. Wir Italiener sind keine Araber.«
»Der Süden ist nicht Italien. Er ist das Land der Mischlinge, weißt du, wie sie im Piémont sagen? Mau-Mau. Ein Sammelbegriff für Araber, Zigeuner und alle Italiener südlich von Rom! Und, verflucht! Erzähl mir nich t, dass du an diesen Blödsinn gl aubst, Gélou!«
»Alex war in Algerien. Er hat schwer gelitten. Du weißt, wie sie sind. Heimtückisch und ... «
»Richtig. Und du hast Angst, dass sie deinem Jungen Aids anhängt, wenn sie an seinem Schwanz lutscht!«
»Du bist wirklich widerlich.«
»Ja. Bei so viel Dummheit fällt mir nichts anderes ein. Nimm deine Tasche und geh. Schick deinen Alex zu den Arabern. Vielleicht kommt er lebend zurück und bringt deinen Sohn mit.«
»Alex hat keine Ahnung. Er ist nicht da. Er ist verreist. Bis morgen Abend. Bis morgen muss ich mit Guitou zurück sein,
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