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Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Titel: Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Claude Izzo
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sonst ... «
    »Sonst was?«
    Sie ließ sich in den Sessel fallen und brach in Tränen aus. Ich hockte mich vor sie hin.
    »Sonst was, Gélou?«, fragte ich etwas sanfter.
    »Wird er ihn wieder schlagen.«
    Honorine kam endlich zum Vorschein. Sie hatte sicher kein Wort meines Streits mit Gélou verpasst, aber sie hatte sich gehütet, auf ihrer Terrasse zu erscheinen. Das war nicht ihre Art. Sich in meine Angelegenheiten zu mischen. Zumindest, solange ich sie nicht dazu aufforderte.
    Zwischen Gélou und mir herrschte ein drückendes Schweigen. Wenn man redet, sagt man immer zu viel. Nachher muss man zu jedem seiner Worte stehen. Und das wenige, was Gélou mir von ihr und Alex erzählt hatte, reimte sich nicht unbedingt auf ein glückliches Leben.
    Sie gab sich damit zufrieden. Weil ‒ fügte sie hinzu ‒ sogar eine attraktive Frau mit fünfzig keine große Wahl mehr hat. Ein Mann ist wichtiger als alles andere. So wichtig wie materielle Sicherheit. Das war einiges Leiden und einige Demütigungen wert. Und auch einige Opfer. Sie gab schamlos zu, Guitou dabei irgendwo auf der Strecke gelassen zu haben. Aus den besten Gründen der Welt. Das heißt, aus Angst. Angst vor einer Auseinandersetzung mit Alex. Angst, fallen gelassen zu werden. Angst vor der Einsamkeit. Guitou würde eines Tages aus dem Haus gehen. Wie Patrice und nach ihm Marc.
    Es stimmt, dass sie und Gin o Guitou nicht mehr gewollt hat. Er war weit nach den anderen gekommen. Sechs Jahre. Ein Versehen. Die beiden anderen waren schon groß. Sie wollte nicht mehr Mutter sein, sondern Frau. Dann war Gino gestorben. Das Kind war ihr geblieben. Und ein unermesslicher Kummer. Sie wurde wieder Mutter.
    Alex hatte sich gut um die Kinder gekümmert. Es lief zwischen ihnen. Ohne Probleme. Aber als er älter wurde, begann Guitou diesen falschen Vater zu hassen. Sein Vater, den er nicht mehr kennen gelernt hatte, verkörperte für ihn alle Vorzüge und Tugenden der Welt. Guitou fing an, alles zu lieben und zu hassen, was Alex hasste und liebte. Nachdem seine beiden Brüder ausgezogen waren, wuchs die Feindschaft zwischen Guitou und Alex. Alles war ihnen recht als Vorwand für eine Auseinandersetzung. Sogar die Wahl des Fernsehfilms endete mit einem Streit. Guitou schloss sich dann in seinem Zimmer ein und drehte die Musik auf. Rock und Reggae. Seit einem Jahr Raï und Rap.
    Alex begann Guitou zu schlagen. Ohrfeigen, nichts wirklich Schlimmes. Wie Gino es vielleicht auch getan hätte. Die Jungs verdienten es manchmal. Und Guitou mehr als einmal. Als die kleine Araberin im Haus auftauchte, war die Ohrfeige ausgeartet. Guitou hatte rebelliert. Alex musste zugeschlagen haben. Heftig. Sie war dazwischengegangen, aber Alex hatte ihr befohlen, sich raus - zuhalten. Es ging viel zu viel nach dem Kopf des Jungen. Sie hatten schon genug hingenommen. Arabische Musik bei sich zu Hause wollte er ja noch durchgehen lassen. Aber deren Mädchen ein - laden ‒ das ging entschieden zu weit. Man kannte das. Erst sie, dann ihre Brüder. Und die ganze Sippschaft. Im Grunde war Gélou durchaus einverstanden mit Alex.
    Jetzt geriet Gélou in Panik. Weil sie nicht mehr weiterwusste. Sie wollte Alex nicht verlieren, aber Guitous Flucht und sein Schweigen verstärkten ihre Schuldgefühle. Er war ihr Kind. Sie war seine Mutter.
    »Ich hab ein paar Partisses gebacken«, sagte Honorine zu Gélou. »Sieh nur, sie sind ganz warm.« Sie reichte mir den Teller und die Fl adenbrote, die sie sich unter den Arm geklemmt hatte.
    Im Sommer hatte ich einen schmalen Durchgang zwischen unseren beiden Terrassen gebaut. Mit einer kleinen Holztür. So brauchte sie nicht mehr außen rum zu gehen, wenn sie zu mir wollte. Vor Honorine hatte ich nichts mehr zu verbergen. Weder meine schmutzige Wäsche noch meine Liebesgeschichten. Ich war für sie der Sohn, den Toinou ihr nicht hatte schenken können.
    Ich lächelte, dann ging ich Wasser und den Pastis holen. Danach bereitete ich den Grill für die Goldbrassen vor. Wenn der Ärger schon mal da ist, eilt nichts mehr.

Drittes Kapitel
    In dem dort Leben ist,
wo Wut ist

    Die Jungen spielten großartig. Mit Leib und Seele. Sie spielten zum Spaß. Um dazuzulernen und eines Tages die Besten zu sein. Der ziemlich neue Basketballplatz nahm einen Teil des Parkplatzes vor den beiden lang gestreckten Hochhäusern des Vorstadtviertels La Bigotte auf der Höhe von Notre-Dame-Limite ein, an der »Grenze« zwischen Marseille und Septème-les-Vallons. Eine der größten

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