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Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Titel: Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Claude Izzo
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Marseille lief es genauso. Aber das war für chourmo nicht entscheidend. Entscheidend war, dass die Leute zusammenkamen. Sich »mischen«, wie man in Marseille sagt. Sich umeinander kümmern. Es gab einen chourmo-Geist. Man gehörte nicht mehr zu einem Viertel oder einer Vorstadt. Man war chourmo. Man ruderte in derselben Galeere! Um rauszukommen. Zusammen.
    Rastafada eben!
    »Ist was Besonderes los in den Wohnsiedlungen?«, fragte ich auf gut Glück, als wir den Parkplatz erreicht hatten.
    »Hier ist immer was los, das müsstest du wissen. Denk darüber nach.« Und bei meinem Auto angekommen, ging er grußlos weiter.
    Ich fand eine Kassette von Bob Marley im Handschuhfach. Ich hatte immer mindestens eine dabei, für Momente wie diesen. Und So Much Trouble in the World pa sste gut zu einer Nachtfahrt durch Marseille.

F ü nftes Kapitel
    In dem ein K ö rnchen Wahrheit
niemandem wehtut

    An der Place des Baumes in Saint-Antoine war meine Entscheidung gefallen. Stat t über die Küstenschnellstraße nach Hause zu fahren, fuhr ich einmal um den Kreisel und nahm die Abzweigung nach Saint-Joseph. Richtung Merlan.
    Das Gespräch mit Anselme wollte mir nicht aus dem Kopf. Etwas musste dahinter stecken, wenn er es für nötig hielt, mit mir über Serge zu sprechen. Ich wollte herauskriegen, was. Verstehen, wie immer. Eine wahre Krankheit. Im Geist war ich wohl immer noch Bulle. Um einer so plötzlichen Eingebung zu folgen. Aber vielleicht war ich auch schon chourmo! Ega l . Ein Körnchen Wahrheit tut niemandem weh, sagte ich mir. Jedenfalls nicht den Toten. Und Serge war nicht irgendjemand. Er war ein guter Kerl, den ich respektierte.
    Ich hatte mindestens eine Nacht Vorsprung, um seine Sachen zu durchsuchen. Pertin war ehrgeizig und voller Hass. Aber er war kein guter Polizist. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er sich dazu herablassen würde, auch nur eine einzige Stunde damit zu vergeu - den, die Wohnung eines Toten zu durchkämmen. Das über - ließ er lieber den »Schreibtischbullen«, wie er seine Kollegen im Haupt - quartier nannte. Er hatte Interessanteres zu tun. In den Vorstädten des Nordens Cowboy spielen. Vor allem nachts. Ich hatte alle Chan - cen, ungestört zu sein.
    Ehrlich gesagt, ich wollte Zeit gewinnen. Wie konnte ich mit leeren Händen nach Hause zurückkehren und Gélou gegenübertreten? Was sollte ich ihr sagen? Dass Guitou und Naïma ruhig noch eine Nacht zusammen verbringen konnten. Dass es niemandem schade - te. Irgend so was. Lügen. Es würde nur ihren Mutterstolz verletzen. Aber sie hatte schon schlimmere Verletzungen erlitten. Und mir fehlt manchmal der Mut. Besonders bei den Frauen. Speziell, wenn ich sie liebe.
    In Merlan— Village sah ich eine freie Telefonzelle. Bei mir nahm keiner ab. Ich rief Honorine an.
    »Ach, wir haben nicht auf Sie gewartet. Wir haben schon gegessen. Ich hab Spaghetti mit Basilikum und Knoblauch gemacht. Haben Sie den Kleinen gefunden?«
    »Noch nicht, Honorine.«
    »Es ist nur, dass sie sich vor Sorge verzehrt. Was ich noch fragen wollte, bevor ich sie Ihnen gebe, wegen der Meeräschen, die Sie heut Morgen gefangen haben, es ist genug Rogen für eine gute Poutargue da. Wären Sie einverstanden?«
    Die Poutargue war eine Spezialität aus Martigues. Wie Kaviar. Ich hatte sie seit Ewigkeiten nicht mehr gegessen.
    »Machen Sie sich keine Umstände, Honorine, das ist viel zu viel Arbeit.« Tatsächlich musste man die beiden Eistränge entfernen, ohne die Hülle der Fischeier zu beschädigen, sie salzen, pressen und trocknen lassen. Diese Vorbereitung dauerte gut eine Woche.
    »Aber nein, das macht keine Mühe. Und außerdem ist es eine gute Gelegenheit. Sie könnten den armen Fonfon zum Essen einladen. Ich hab das Gefühl, dass er im Herbst nicht so recht auf der Höhe ist.«
    Ich musste lächeln. Es war wirklich eine Ewigkeit her, seit ich Fonfon eingeladen hatte. Und wenn ich ihn nicht einlud, luden die beiden sich auch nicht ein. Als ob es für zwei Alleinstehende in den Siebzigern unanständig wäre, sich zueinander hingezogen zu fühlen.
    »Gut, ich geb Ihnen Gélou, sie stirbt vor Ungeduld.«
    Ich war bereit.
    »Hallo.«
    Claudia Cardinale live. Am Telefon klang Gélous Stimme noch sinnlicher. Sie ging mir runter wie ein Glas Lagavulin. Weich und warm.
    »Hallo«, wiederholte sie.
    Ich musste die Erinnerungen vertreiben. Auch die an Gélou. Ich holte Luft und sagte meinen Spruch auf. »Hör zu, die Sache ist komplizierter, als ich dachte. Sie sind nicht bei

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