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Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Titel: Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Claude Izzo
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Cousine.«
    Sie hatte sich langsam auf das Sofa gesetzt und ihr Gesicht in den Händen verborgen. »Was hat sie getan?«
    »Nichts. Zumindest nicht, dass ich wüsste. Sie hat den jungen Mann nur zuletzt gesehen.«
    »Warum lassen Sie uns nicht in Ruhe. Die Kinder machen mir im Moment schon genug Sorgen.« Sie sah mich an. »Vielleicht ist der junge Mann wieder nach Hause gefahren. Oder er wird es tun. Redouane war auch drei Monate ohne Nachricht verschwunden. Dann ist er wiedergekommen. Jetzt geht er nicht mehr weg. Er hat sich gefangen.«
    Ich ging vor ihr in die Knie. »Ich glaube Ihnen, Madame. Aber Guitou wird nie zurückkommen. Er ist tot. In jener Nacht war Naïma bei ihm.«
    Ich sah die Panik in ihren Augen. »Tot? Und Naïma ...«
    »Sie waren zusammen. Alle beide im gleichen ... Im gleichen Haus. Sie muss mit mir sprechen. Wenn sie noch da war, als es passiert ist, muss sie etwas gesehen haben.«
    »Meine arme Kleine.«
    »Ich bin der Einzige, der das alles weiß. Wenn sie nicht da war, wird niemand davon erfahren. Die Polizei kann unmöglich bis zu ihr vordringen. Sie weiß nichts von ihrer Existenz. Verstehen Sie. Darum kann ich nicht länger warten.«
    »Großvater hat kein Telefon. Das ist wahr, Sie müssen mir schon glauben, Monsieur. Er sagt, das Telefon ist nur ein Vorwand, um sich nicht mehr zu besuchen. Ich wollte hinfahren, wie ich versprochen hatte. Es ist weit, in Saint-Henri. Von hier muss Wan den Bus nehmen. Das ist nicht so einfach.«
    »Wenn Sie wollen, bringe ich Sie hin.«
    »Das geht nicht, Monsieur. Ich in Ihrem Auto. Wenn das die Leute mitkriegen. Hier spricht sich alles rum. Und Redouane wird wieder Theater machen.«
    »Geben Sie mir die Adresse.«
    »Nein!«, sagte sie bestimmt. »Mourad kommt heute Nachmittag um drei aus der Schule. Er wird Sie begleiten. Warten Sie um vier an der Busendstation am Cours Joseph-Thierry auf ihn.«
    »Danke«, sagte ich.
    Ich schrak hoch. Loubet nahm meinen Arm und bedeutete mir, Guitous Leiche genauer anzusehen. Er hatte das Laken bis zum Bauch hinuntergezogen.
    »Er hat eine 38er-Spezial benutzt. Eine einzige Kugel. Aus allernächster Nähe, Guitou hatte keine Chance. Mit einem guten Schalldämpfer versehen macht die nicht mehr Lärm als eine Fliege. Der Typ war ein echter Profi.«
    Mir schwindelte. Nicht wegen dem, was ich sah. Sondern was ich mir vorstellte. Guitou nackt, und der andere mit der Knarre in der Hand. Hatte er den Jungen angesehen, bevor er abdrückte? Weil er nicht einfach so nach Augenmaß geschossen hat, auf der Flucht. Nein, von Angesicht zu Angesicht. Ich bin in meinem Leben nicht vielen Typen begegnet, die das können. Einige in Dschibuti. Legionäre, Fallschirmspringer. Überlebende aus Indochina, Alge - rien. Selbst an langen Saufabenden sprachen sie nicht darüber. Sie hatten ihre Haut gerettet, das war alles. Ich konnte das verstehen. Man konnte aus Eifersucht, Wut oder Verzweiflung töten. Auch das konnte ich verstehen. Aber dies, nein.
    Hass stieg in mir auf.
    »Der Augenbrauenbogen«, sagte Loubet und zeigte mit dem Finger darauf, »das muss passiert sein, als er gefallen ist.« Dann fuhr er mit dem Finger bis zum Hals. »Das dort ist interessanter, siehst du. Sie haben ihm die Kette abgerissen, die er um den Hals trug.«
    »Wegen ihres Wertes? Meinst du, sie hatten es auf eine Goldkette abgesehen?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Vielleicht hätte die Kette ihn identifizieren können.«
    »Was interessierte das die Typen?«
    »Zeit gewinnen.«
    »Bist du so gut, mir das zu erklären? Das kapier ich nicht.«
    »Es ist nur eine Annahme. Dass der Mörder Guitou kennt. Hocine Draoui trug ein wertvolles Goldarmband. Er trägt es immer noch.«
    »Dieser Gedankengang fü hrt zu nichts.«
    »Ich weiß. Ich mache Feststellungen, Montale. Stelle Hypothesen auf. Ich habe mindestens hundert. Sie führen auch zu nichts. Also sind sie alle gut.« Er ließ seinen Finger wieder über Guitous Leiche wandern. Zu seiner Schulter. »Der blaue Fleck ist älter. Fünfzehn, zwanzig Tage ungefähr. Ein teuflisches Blau. Du siehst, das identifiziert ihn genauso gut wie die Kette und bringt uns auch nicht weiter.«
    Loubet deckte Guitous Leiche wieder zu und sah mich an. Mir war klar, dass ich jetzt das Protokoll unterschreiben musste. Das Schwerste aber stand mir noch bevor.

Neuntes Kapitel
In dem es keine unschuldige
L ü ge gibt

    Mitten auf der Rue Sainte-Françoise vor dem Treize-Coins wusch ein gewisser José sein Auto, einen Renault 21 in

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