Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea
von einem idealisierten Vater. Das geheime Einverständnis mit der Mutter ...«
»Ich kann Ihnen nicht folgen.«
»Nein? Dabei ist es ganz einfach. Ihr Mann wusste nicht, dass Mathias Guitou sein Appartement übers Wochenende zur Verfü - gung gestellt hatte. Das war sicher nicht seine Art, nehme ich an. Nur Sie wussten davon. Und Hocine Draoui, natürlich. Er war ein - geweiht. Er stand Ihnen näher als Ihrem Mann ...«
Ich war etwas zu weit gegangen. Sie hatte ihre Zigarette wütend ausgedrückt und war aufgestanden. Hätte sie mich rausschmeißen können, hätte sie es getan. Aber sie brauchte mich. Sie sah mich mit der gleichen Selbstsich erheit an wie zuvor. Genauso auf recht. Genauso stolz.
»Sie sind ein Ekel. Aber Sie haben Recht. Mit einem einzigen Unter schied: Hocine hat diese ... Verbundenheit, wie Sie es nennen, nur Mathias zuliebe akzeptiert. Er dachte, das fragliche junge Mäd - chen, Naïma , das oft hergekommen ist, sei Mathias Freundin. Sei - ne ... Geliebte, meine ich. Er wusste nichts von dem anderen Jungen.«
»Na also«, sagte ich. Ihre Augen fixierten mich, und ich spürte die extreme Spannung, unter der sie stand. »Sie hätten mir nicht Ihr Leben zu erzählen brauchen, um mir das ganz einfach zu sa gen.«
»Dann verstehen Sie überhaupt nichts.«
»Ich will nichts verstehen.«
Zum ersten Mal lächelte sie. Und es stand ihr hervorragend. »Ich will nichts verstehen, eine A ntwort wie von Bogart, könnte m an meinen!«
»Danke. Aber das sagt mir immer noch nicht, was Sie jetzt vorhaben.«
»Was würden Sie an meiner Stelle tun?«
»Ich würde Ihren Mann anrufen. Danach die Polizei. Wie ich Ihnen eben schon sagte. Erzählen Sie Ihrem Mann die Wahrheit, finden Sie eine glaubhafte Lüge für die Polizei.«
»Haben Sie eine in petto?«
»Hunderte. Aber ich, ich kann nicht lügen.«
Ich sah die Ohrfeige nicht kommen. Ich hatte sie verdient. Warum hatte ich das gesagt? Die Luft zwischen uns war zu sehr mit Span - nung aufgeladen. Zweifellos. Wir würden einen tödlichen Strom - schlag bekommen. Das wollte ich nicht. Wir mussten den Strom - kreis unterbrechen.
»Ich bedaure.«
»Ich gebe Ihnen zwei Stunden. Dann wird Kommissar Loubet an Ihrer Tür klingeln.«
Ich war gegangen, zu Loubet. Draußen, fern ihrer Anziehungskraft, fing ich mich wieder. Cue war ein Rätsel. Hinter ihrer Geschichte verbarg sich eine andere. Das spürte ich. Man lügt nicht unschuldig.
Mein Blick kreuzte Loubets. Er beobachtete mich. »Was denkst du über die Sache?«
»Nichts. Du bist der Polizist, Loubet. Du hast alle Karten in der Hand, nicht ich.«
»Erzähl keinen Blödsinn, Montale. Du hast immer eine Meinung gehabt, sogar mit leeren Händen. Und hier ‒ ich weiß, dass deine grauen Zellen arbeiten.«
»So auf den ersten Blick würde ich sagen, es besteht kein Zusammenhang zwischen dem Mord an Hocine Draoui und an dem von Guitou. Sie sind nicht auf die gleiche Art getötet worden. Ich glaube, Guitou war im falschen Moment dort, das ist alles. Dass es sich nicht vermeiden ließ, ihn umzubringen, aber ein Irrtum ihrerseits war.«
»Du glaubst nicht an den gestörten Einbruch.«
»Ausnahmen gibt es immer. Kann ich in zwei Wochen noch mal wiederkommen, Chef?«
Er lächelte. »Ich sehe das auch so.«
Zwei Rastaköpfe gingen über die Terrasse und zogen eine Wolke Shit hinter sich her. Einer von ihnen hatte gerade in einem Film mit - gespielt, aber er »machte keine Krankheit daraus«, wie man hier sagt. Sie gingen in die Bar und setzten sich an die Theke. Der Shitgeruch kitzelte mir in der Nase. Ich hatte seit Jahren nicht mehr geraucht. Aber ich vermisste den Geruch. Manchmal versuchte ich, ihn mit einer Camel heraufzubeschwören.
»Was weißt du über Hocine Draoui?«
»Alles weist darauf hin, dass die Bärtigen ihn aus dem Weg schaffen wollten. Zunächst einmal war er eng mit Azzedine Med-joubi befreundet, dem kürzlich ermordeten Direktor des algerischen Nationaltheaters. Außerdem war er einige Jahre Mitglied des PAGS, der Partei der Sozialistischen Avantgarde, der algerischen Kommu - nisten. Das sind heute in erster Linie die aktiven Radikalen der FAIS, der Föderation algerischer Künstler, Intellektueller und Wis - senschaftler. Sein Name wird in Verbindung mit einer Gruppe zur Vorbereitung eines Treffens der FAIS erwähnt, das in einem Monat in Toulouse stattfinden soll.
Meiner Meinung nach ein verdammt mutiger Typ, dieser Draoui. 1990 ist er zum ersten Mal nach Frankreich gekommen. Er
Weitere Kostenlose Bücher