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Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Titel: Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Claude Izzo
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weg. Seine Kumpel stierten mich an, als hätte ich gerade das Gesetz übertreten. Bereit, Lärm zu schlagen.
    »Sag mal, Rachid, ich geh zu Nummer B 7, da drüben, siehst du. Im fünften Stock. Zu Mouloud. Mouloud Laarbi. Kennst du den?«
    »Jaa. Na und?«
    »Ich werde, eh, eine Stunde oder so bleiben.«
    »Was geht mich das an?«
    Ich führte ihn noch ein paar Schritt näher zu meinem Wagen. »Da vor dir ist mein Flitzer. Das ist kein toller Schlitten, wirst du sagen. Schon richtig. Aber ich hänge dran. Ich möchte nicht, dass er was abkriegt. Nicht mal einen Kratzer. Also, du passt auf ihn auf. Und wenn es dich juckt, pissen zu gehen, arrangierst du dich mit deinen Kumpels. Okay?«
    »Bin doch kein Wachmann, M'sieur!«
    »Nun, üb ein bisschen. Wird vielleicht 'ne Stelle frei.« Ich drük— kte seine Schulter etwas kräftiger. »Keinen Kratzer, klar, Rachid, sonst ...«
    »Was! Ich mach nichts. Können mir nichts vorwerfen.«
    »Ich kann alles, Rachid. Ich bin Bulle. Das hast du doch nicht ver - gessen, oder?« Ich ließ meine Hand an seinem Rücken herunter - gleiten. »Wenn ich meine Hand auf deinen Hintern lege, da in der Hosentasche, was finde ich?«
    Er machte sich heftig los. Genervt. Ich wusste, dass er nichts hatte. Ich wollte nur sichergehen.
    »Ich hab nichts. Ich rühr das Zeug nicht an.«
    »Ich weiß. Bist ein armer kleiner Araber, dem so ein Idiot von Bulle die Scheiße in die Schuhe schiebt. Stimmts?« »Hab ich nicht gesagt.« »Denkst du trotzdem. Pass gut auf meinen Flitzer auf, Rachid.«
    Block B 7 sah aus wie alle anderen. Der Eingang war total herunter - gekommen und versifft. Er starrte vor Schmutz. Die Glühbirne war mit Steinen zerschmissen. Es stank nach Pisse. Der Fahrstuhl funktionierte nicht. Fünf Etagen zu Fuß und sicher kein Aufstieg ins Paradies. Mouloud hatte gestern Abend auf den Anrufbeantworter gesprochen. Verunsichert von der Tonbandstimme, hatte er nach einigen »Hallo! Hallo!« und einer längeren Pause schließlich eine Nachricht hinterlassen. »Bitte, du musst kommen, M'sieur Montale. Wegen Leila.«
    Leila war das älteste von drei Kindern. Er hatte nur drei. Leila, Kader und Driss. Vielleicht hätte er noch mehr gehabt, wenn seine Frau Fatima nicht bei Driss' Geburt gestorben wäre. Mouloud lebte seinen Einwanderertraum ganz allein. Ende 1970 wurde er als einer der Ersten auf der Baustelle in Fos-sur-Mer eingestellt.
    Fos war das Eldorado Südfrankreichs. Es gab Arbeit ohne Ende. Dort entstanden ein Hafen für gewaltige Gastanker und Stahlgie - ßereien für den gesamten europäischen Markt. Mouloud war stolz, bei diesem Unternehmen dabei zu sein. Er mochte das, bauen und gestalten. Sein ganzes Leben und sogar seine Familie hatte er auf dieses Ziel ausgerichtet. Er zwang seine Kinder nie, sich von den anderen abzusondern, den Franzosen aus dem Weg zu gehen. Nur schlechten Umgang sollten sie meiden. Den Respekt vor sich selber nicht verlieren. Gute Manieren lernen. Und es möglichst weit bringen. Sich in die Gesellschaft integrieren, ohne sich selber zu verleugnen. Weder die eigene Rasse, noch die Vergangenheit.
    »Als wir noch klein waren«, vertraute Leila mir einmal an, »mussten wir ihm nachsagen: Allah Akbar, La ilah, Ma Allah, Mohamed rasas Allah, Ayya illa Salat, Ayya Ma el Fallah. Wir verstanden kein Wort. Aber es hörte sich gut an. Es klang so wie das, was er aus Algerien erzählte.« Damals war Mouloud glücklich. Er hatte seine Familie in Port-de-Bouc untergebracht, zwischen M arti - gues und Fos. Auf dem Wohnungsamt waren sie »nett zu ihm gewesen«, und er hatte schnell eine schöne Sozialwohnung in der Avenue Maurice Thorez bekommen. Die Arbeit war hart, und je mehr Araber dabei waren, desto besser. So dachten jedenfalls die ehemaligen Werftarbeiter aus Italien, meist aus Sardinien, aus Griechenland, Portugal und Spanien, die jetzt in Fos arbeiteten.
    Mouloud war Mitglied der CGT, des kommunistischen Gewerk - schaftsbunds. Er war Arbeiter und brauchte eine Familie, die ihn verstand, ihm half, ihn verteidigte. »Die CGT ist die größte«, hatte der Gewerkschaftsvertreter Guttierez beteuert und hinzugefügt: »Wenn die Baustelle fertig ist, werden wir Schritt für Schritt in die Eisenindustrie einsteigen. Mit uns hast du dir schon einen Platz in der Fabrik gesichert.«
    Das gefiel Mouloud. Er war felsenfest davon überzeugt. Auch Guttierez glaubte daran. Die CGT ebenfalls. Ganz Marseille glaubte es. Alle Städte der Umgebung glaubten es und stampften billige

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