Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea
neu anfangen. Auch dabei half er ihr. Er war es, der den Verkauf des Restaurants in die Hand nahm und einen sehr guten Preis erzielte. Von einem seiner Verwandten. Mit der Zeit stützte Gélou sich auf ihn. Mehr als auf ihre Familie. Es stimmt, dass sie sich nach dem Unglück wieder ihren Angelegenheiten zuwandte. Und mir den Rücken.
»Du hättest mich anrufen können«, protestierte ich.
»Ja, vielleicht. Wenn ich allein gewesen wäre. Aber Alex war da und ich hatte keinen Grund, um Hilfe zu bitten, verstehst du.«
Fast ein Jahr später schlug Narni ihr vor, mit ihm nach Gap zu ziehen. Er hatte dort etwas Vielsprechendes gefunden. Auch eine Villa an den Hängen des Bayardpasses. Mit herrlichem Blick auf das Tal. Die Kinder, hatte er gesagt, wären glücklich dort. Ein neues Leben.
Sie besichtigten das Haus wie ein junges Paar auf Wohnungssuche. Lachend. Pläne schmiedend hinter vorgehaltener Hand. Abends waren sie nicht gleich zurückgekehrt, sondern zum Essen in Gap geblieben. Es wurde spät. Narni schlug vor, im Ort zu über - nachten. Das Restaurant gehörte zu einem Hotel, und es waren zwei Zimmer frei. Ohne recht zu wissen, wie ihr geschah, hatte Gélou sich in seinen Armen wiedergefunden. Aber sie bereute es nicht.
»Es war schon zu lange her ... Ich ... Ich konnte nicht ohne Mann leben. Anfangs dachte ich, ich könnte es. Aber ... Ich war achtund - dreißig, Fabio«, erläuterte sie, wie um sich zu entschuldigen. »Meinen Bekannten und besonders der Familie hat das nicht gefallen. Aber man lebt nicht mit der Familie. Abends, wenn die Kinder schlafen und du allein vor der Glotze sitzt, ist sie nicht da.«
Und dieser Mann, den sie schon so lange kannte und der es verstanden hatte, auf sie zu warten, der war da. Dieser elegante, selbst - sichere Mann ohne Geldsorgen. Finanzberater in der Schweiz war er, so hatte er gesagt. Ja, Narni gab ihr Halt. Eine Zukunft begann sich wieder für sie abzuzeichnen. Sie kam nicht an die Träume nach ihrer Heirat mit Gino heran. Aber sie war auch nicht schlechter als alles, was sie seit Ginos Tod in Betracht gezogen hatte.
»Außerdem ging er oft auf Geschäftsreise, verstehst du. In Frankreich und Europa. Und das«, unterstrich sie, »war auch gut so. Ich war frei. Ich konnte kommen und gehen, wie ich wollte. Nur für die Kinder da sein. Alex kam gerade rechtzeitig zurück, wenn er begann, mir zu fehlen. Nein, Fabio, ich war diese letzten zehn Jahre nicht unglücklich.«
Narni hatte bekommen, was er begehrte. Das musste ich ihm lassen. Er hatte Gélou genug geliebt, um Ginos Kinder aufzuzi e hen. Hatte er ihn deshalb umgebracht? Aus Liebe? Oder weil Gino jede weitere Zahlung verweigert hatte? Was spielte das noch für eine Rolle. Der Typ war ein Killer. Er hätte Gino so oder so umgebracht. Weil Alexandre Narni war wie alle Mafiosi. Früher oder später nahmen sie sich, was sie wollten. Macht, Geld, Frauen. Gélou. Ich hasste Narni dafür umso mehr. Weil er es gewagt hatte, sie zu lieben. Weil er sie mit all seinen Verbrechen besudelt hatte. Mit all diesem Tod, den er in seinem Kopf umherschleppte »Und was jetzt?«, fragte Gélou tonlos. Sie war eine starke Frau. Aber das war doch etwas viel für eine einzige Frau an einem einzigen Tag. Sie musste sich ausruhen, bevor sie endgültig zusammenbrach.
»Du ruhst dich jetzt aus.«
»Im Hotel!«, schrie sie entsetzt.
»Nein. Dorthin kehrst du nicht zurück. Narni ist jetzt wie ein toller Hund. Er muss wissen, dass ich ihn durchschaue. Als du nicht zurückgekommen bist, wird er sich leicht gedacht haben, dass ich dir alles erzählt habe. Er ist zu jedem Mord fähig. Sogar an dir.«
Sie sah mich an. Ich konnte sie nicht erkennen. Ihr Gesicht wurde nur für einen kurzen Moment von einem vorbeifahrenden Auto erhellt. Es war nicht anzunehmen, dass noch viel Leben in ihrem Blick lag. Verwüstet. Wie nach einem Wirbelsturm. »Das glaube ich nicht«, sagte sie leise.
»Was glaubst du nicht, Gélou?«
»Das. Dass er mich umbringen könnte.« Sie holte Luft. »Eines Nachts haben wir uns geliebt. Er war ziemlich lange weg gewesen. Er war sehr müde nach Hause gekommen. Wie erschlagen kam er mir vor. Und ein bisschen traurig. Er hatte mich zärtlich in die Arme genommen. Er konnte zärtlich sein, das mochte ich. › Ich würde alles geben, um dich nicht zu verlieren, weißt du ‹ , hatte er gemurmelt. Mit Tränen in den Augen.«
Verdammte Scheiße! dachte ich. Mir bleibt aber auch nichts erspart. Auch das noch. Zärtliche
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