Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea
Das ist die Wahrheit.« Mechanisch zündete sie sich eine neue Zigarette an. Nachdenklich. »Das ist alles nicht so einfach.«
»Ich weiß, Gélou. Sag mal, hatte er nie den Wunsch, ein Kind mit dir zu bekommen?«
»Ja. Er, schon. Aber ich nicht. Drei waren genug. Findest du nicht?«
»Warst du in den letzten Jahren glücklich?«
»Glücklich? Ja, ich denke schon. Alles lief glatt. Du siehst ja, was ich für einen Wagen fahre!«
»Verstehe. Das heißt nicht unbedingt, dass du glücklich bist.«
»Ich weiß. Aber was willst du hören? Du brauchst nur den Fern - seher einzuschalten ... Wenn du siehst, was sich bei uns oder anders - wo abspielt... Ich kann nicht behaupten, dass ich unglücklich war.«
»Was hat Gino von Narni gehalten?«
»Er mochte ihn nicht besonders. Das heißt, anfangs schon. Sie kamen einigermaßen miteinander aus. Sprachen über ihre Hei mat. Aber Gino war nie gesellig, verstehst du. Für ihn zählte nur die Familie.«
»War er eifersüchtig? Ist das der Grund?«
»Ein bisschen schon. Wie jeder gute Italiener. Aber es war nie ein Problem. Nicht mal, als ich zu meinem Geburtstag einen riesengro - ßen Rosenstrauß bekam. Das hatte ihn nur daran erinnert, dass er meinen Geburtstag vergessen hatte. Aber es war nicht weiter schlimm. Gino liebte mich, und ich wusste das.«
»Was war es dann?«
»Ich weiß nicht. Gino ... Manchmal brachte Alex auch seltsame Leute mit. Gut gekleidet, aber ... in Begleitung von ... wie Leibwäch - ter, verstehst du. Mit denen kam ein Foto nicht in Frage! Gino sah die nicht gern in seinem Restaurant. Er sagte, die seien von der Mafia. Dass er ihnen das an der Nase ansehen konnte. Sie waren echter als im Kino!«
»Hat e r Narni darauf angesprochen?«
»Nein, wo denkst du hin. Er war ein Gast. Wenn du ein Restaurant hast, klopfst du keine großen Sprüche. Du servierst ihnen das Essen, und das wars.«
»Hat Gino seine Haltung ihm gegenüber zu dem Zeitpunkt verän - dert?«
Sie drückte ihre Zigarette aus. Das alles lag weit zurück. Vor allem hatte sie mit dieser Phase ihres Lebens noch nicht abgeschlossen. Nach zehn Jahren. In ihrer Erinnerung bewahrte sie Ginos Bild zweifellos in einem Goldrahmen mit einer Rose an der Seite.
»An einem Punkt ist Gino nervös geworden. Ängstlich . Er wachte nachts auf. Überarbeitung, sagte er . Es stimmt, dass wir keine Pause machten. Das Restaurant war immer voll, und dennoch schwammen wir nicht im Geld. Wir lebten. Manchmal hatte ich den Eindruck, wir verdienten weniger als zu Anfang. Gino sagte, das Restaurant sei ein Fass ohne Boden. Er begann, ans Verkaufen zu denken. Woanders hingehen. Weniger arbeiten. Wir würden genauso glück - lich sein.«
Gino und Gélou. Adrien Fabre und Cue. Die Mafia nahm mit einer Hand, was sie mit der anderen gegeben hatte. Sie machte keine Geschenke. Man entkam ihrem Würgegriff nicht. Schon gar nicht, wenn der Erpresser die Kundschaft angeschleppt hatte . Egal welche. Das lief überall so. Nur die Dimensionen waren unterschiedlich. Selbst in den kleinsten Stammkneipen, von Marseille bis Menton. Nichts Großes, nur ein Flipper, der nicht in der Buchhaltung auf - tauchte. Oder zwei.
Außerdem liebte Narni die Wirtin. Gélou. Meine Cousine . Meine Claudia Cardinale. Noch vor zehn Jahren, erinnerte ich mich, war sie schöner als in ihrer Jugend. Eine reife Frau in der Blüte ihrer Jahre. Wie ich sie liebe.
»Eines Abends haben sie sich gestritten«, fuhr Gélou fort. »Jetzt fällt es mir wieder ein. Ich weiß nicht, worum es ging. Gino wollte nicht darüber sprechen. Alex war allein zum Essen gekommen, wie er das manchmal tat. Gino hat sich auf ein Glas Wein zu ihm an den Tisch gesetzt, und sie haben geredet. Alex hat nur seine Nudeln aufgegessen und ging dann. Er hat nichts weiter bestellt. Sich knapp verabschiedet. Aber er hat mich lange angesehen. Bevor er ging.«
»Wann war das?«
»Einen Monat bevor Gino umgebracht wurde ... Fabio!«, rief sie, »du willst doch nicht sagen, dass ...»
Eben. Ich wollte nichts sagen.
Nach jenem Abend setzte Narni keinen Fuß mehr in das Lokal. Einmal hatte er Gélou angerufen. Um ihr zu sagen, dass er auf Geschäftsreise ginge, aber bald zurückkäme. Er tauchte erst zwei Tage nach Ginos Tod wieder auf. Zur Beerdigung, genau gesagt. In dieser Zeit war er sehr präsent, half Gélou bei allem und jedem, stand ihr beratend zur Seite.
Sie weihte ihn damals in ihre Verkaufspläne ein, sagte ihm, dass sie in eine andere Gegend ziehen wolle. Woanders
Weitere Kostenlose Bücher