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Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Titel: Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Claude Izzo
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Lufthauch.
    »Ja«, sagte ich unwirsch.
    »Kommissar Pessayre. Guten Morgen. Sind Sie morgens immer so schlecht drauf?«
    Die Stimme gefiel mir. Tief, etwas schleppend.
    »Das ist nur, um die lästigen Vertreter für Einbauküchen abzuwimmeln.«
    Sie lachte. Ein raues Lachen. Sie musste aus dem Südwesten kommen, diese Frau. Irgendwo aus der Gegend.
    »Können wir uns sehen? Noch heute Morgen?«
    »Ist etwas nicht in Ordnung?«
    »Nein, nein ... Wir haben Ihre Aussagen überprüft. Und Ihre Zeitangaben. Sie zählen nicht zu den Verdächtigen, keine Sorge.«
    »Danke.«
    »Ich habe ... Sagen wir, ich würde gern mit Ihnen plaudern, über das ein oder andere.«
    »Ah!«, sagte ich, Heiterkeit vortäuschend. »Wenn das eine Einladung ist, kein Problem.«
    Das brachte sie nicht zum Lachen. Und das überzeugte mich, dass sie sich nicht täuschen ließ. Diese Frau hatte Temperament, und da ich nicht wusste, welche Wendung die Ereignisse nahmen, war es gut zu wissen, auf wen ich mich verlassen konnte. Bei der Polizei, meine ich.
    »Elf Uhr.«
    »In Ihrem Büro?« '
    »Ich denke nicht, dass Ihnen das lieb wäre, stimmts?«
    »Nicht wirklich.«
    »Am Fort Saint-Jean? Dann gehen wir ein wenig, wenn Sie möchten.«
    »Der Ort gefällt mir.«
    »Mir auch.«
    Ich war die Comiche entlanggefahren. Um das Meer nicht aus den Augen zu verlieren. Es gibt solche Tage. An denen ich mich nicht für einen anderen Weg in die Innenstadt entscheiden kann. An denen ich es brauche, dass die Stadt zu mir kommt. Ich bin es, der sich bewegt, aber sie ist es, die näher kommt. Wenn ich könnte, würde ich nur über das Meer nach Marseille fahren. Die Einfahrt in den Hafen, wenn man einmal an der Bucht von Mal mousque vorbei war, erfüllte mich jedes Mal mit Glücksgefühlen. Ich war Hans, Edouard Peissons Matrose. Oder Cendrars bei seiner Rückkehr aus Panama. Oder auch Rimbaud, »der kalte Engel, der gestern früh im Hafen an Land gegangen ist«. Immer wieder spielte sich der Mo - ment ab, in dem Protis, der Phokäer, sich mit geblendeten Augen der Reede näherte.
    An diesem Morgen war die Stadt transparent. Rosa und blau schimmerte sie in der stehenden Luft. Schon heiß, aber noch nicht drückend. Marseille sog das Licht ein. So wie die Gäste auf der Terrasse des Samaritaine es unbeschwert bis zum letzten Tropfen Kaffee auf dem Boden ihrer Tasse tranken. Blau von den Dächern, rosa vom Meer. Oder umgekehrt. Bis Mittag. Danach erdrückte die Sonne für ein paar Stunden alles. Schatten wie Licht. Die Stadt wurde undurchdringlich. Gleißend. Das war der Zeitpunkt, zu dem in Marseille die Anisdüfte aufstiegen.
    Ich bekam übrigens langsam Durst. Auf einen gut gekühlten Pastis auf einer schattigen Terrasse. Bei Ange an der Place des Treize-Coins zum Beispiel, im alten Teil des Panier-Viertels. Meine ehema - lige Kantine aus meiner Zeit als Flic.
    »Da habe ich schwimmen gelernt«, erzählte ich ihr und zeigte auf die Hafeneinfahrt.
    Sie lächelte. Am Fuß des Fort Saint-Jean war sie zu mir gestoßen. Entschlossenen Schrittes. Eine Zigarette zwischen den Lippen. Sie trug Jeans und T-Shirt, wie gestern. Aber in gebrochenen Weißtö - nen. Die kastanienbraunen Haare waren im Nacken zu einem klei - nen Knoten hochgesteckt. Tief in ihren haselnussbraunen Augen funkelte es spöttisch. Sie sah aus wie um die dreißig. Aber Madame Kommissarin musste zehn Jahre älter sein.
    Ich zeigte auf das andere Ufer.
    »Wer ein Mann sein wollte, musste einmal rüber-und zurückschwimmen. Und um den Mädchen zu imponieren.«
    Sie lächelte wieder. Offen diesmal, mit zwei hübschen Grübchen in den Wangen.
    Vor uns machten sich drei sonnengebräunte Rentnerpaare bereit, in die Fluten zu tauchen. Regelmäßige Gäste. Sie badeten dort und nicht am Strand. Zweifellos ihrer Jugend treu. Ugo, Manu und ich waren zum Schwimmen auch noch lange Zeit hierher gekommen. Lole , die selten badete, kam mit einem Imbiss dazu. Wir streckten uns auf den flachen Steinen zum Trocknen aus und hörten zu, wie sie Saint-John Perse vorlas. Verse aus Exil, ihrem Lieblingsbuch.
    ... werden wir mehr als ein Trauergepränge geleiten, singend das
    Gestern, singend das Anderwärts, singend das Leiden in seiner
    Geburt
    und die Herrlichkeit des Lebens, die sich verbannt dieses Jahr
    außer Reichweite der Menschen.
    Die Rentner sprangen ins Wasser – die Frauen mit weißen Bademützen auf dem Kopf-und schwammen zur Pharo-Bucht rüber. Ein sicherer, beherrschter Kraulstil ohne Angeberei. Sie

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