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Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Titel: Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Claude Izzo
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deren Namen ich vergessen hatte, mir noch anvertraut, »fällt man tief in den Brunnen.« Ich stand am Brunnenrand. Am äußersten Rand. Babette.
    »Fabio«, sagte sie wieder, fester diesmal.
    Sonias Leiche nahm ihren Platz in meinem Kopf wieder ein. Setzte sich wieder fest. In ihrer eisigen Schwere verdrängte sie alle bedanken und Erinnerungen.
    »Babette, wir müssen reden.«
    »Hast du die Disketten gekriegt?«
    »Ich habe sie gelesen. Das heißt, fast. Letzte Nacht.«
    »Was denkst du? Verdammt gute Arbeit, meinst du nicht?«
    »Babette. Hör auf damit. Die Typen, die dich suchen – ich hab Sie am Hals.«
    »Ah!«
    Die Angst kam wieder hoch, erstickte ihre Worte.
    »Ich weiß nicht mehr weiter, Fabio.«
    »Komm her.«
    »Kommen!«, rief sie beinahe hysterisch. »Spinnst du! Sie haben Gianni massakriert. In Rom. Und seinen Bruder, Francesco. Und Beppe, seinen Freund. Und ...«
    »Hier haben sie eine Frau getötet, die ich geliebt habe«, gab ich mit erhobener Stimme zurück. »Und sie werden noch mehr von ihnen töten, mehr Menschen, die ich liebe, verstehst du. Und schließlich mich. Und dich, früher oder später. Du willst doch wohl nicht jahre - lang da oben hocken bleiben.«
    Wieder Schweigen. Ich mochte Babettes Gesicht. Ein rundliches Gesicht, umrahmt von langen, kastanienbraunen Haaren, die sich nach unten hin lockten. Ein Gesicht wie von Botticelli.
    »Wir müssen uns arrangieren«, fuhr ich nach einem Räuspern fort.
    »Was!«, fuhr sie mich an. »Fabio, diese Arbeit ist mein ganzes Leben! Wenn du die Disketten geöffnet hast, kannst du dir eine Vorstellung von der Mühe machen, die ich da reingesteckt habe. Wie sollten wir uns wohl arrangieren, he?«
    »Mit dem Leben. Oder mit dem Tod. Wir haben die Wahl.«
    »Hör auf! Mir ist nicht nach Philosophieren zumute.«
    »Mir auch nicht. Ich möchte nur am Leben bleiben. Und dasselbe gilt für dich.«
    »Aber ja doch. Wenn ich komme, kann ich mich gleich umbringen.«
    »Vielleicht nicht.«
    »Oh ja. Und was schlägst du vor?« »
    Ich spürte, wie die Wut in mir aufkeimte. Die Windböen draußen schienen immer heftiger zu werden.
    »Verdammt noch mal, Babette! Du ziehst alle Welt mit in die Scheißgeschichte deiner idiotischen Nachforschung. Macht dir das nichts aus? Kannst du ruhig schlafen? Kannst du essen? Vögeln? Na? Antworte, verflucht! Gefällt es dir, dass meine Freunde umge - legt werden? Und ich auch? Sag schon! Teufel noch mal! Und du behauptest, dass du mich noch liebst! Aber du hast ja einen Sprung in der Schüssel, du arme Irre!«
    Sie brach in Tränen aus.
    »Du hast nicht das Recht, so mit mir zu reden!«
    »Doch! Ich habe diese Frau geliebt, verdammt! Sonia hieß sie. Sie war vierunddreißig. Seit Jahren habe ich niemanden wie sie kennen gelernt. Du siehst, ich habe alles Recht dieser Welt!«
    »Scher dich zum Teufel!«
    Damit legte sie auf.
    An diesem Morgen gegen sieben Uhr wurde Georges Mavros ermordet. Ich habe es erst zwei Stunden später erfahren. Meine Leitung war die ganze Zeit besetzt. Als das Telefon wieder klingelte, dachte ich, Babette würde zurückrufen.
    »Montale.«
    Das klang hart. Nach Kommissar. Hélène Pessayre. Der Ärger meldet sich zurück, dachte ich. Unter Ärger verstand ich nur ihre Hartnäckigkeit, aus mir herauszubekommen, was ich vor ihr verbarg. Sie zog keine Samthandschuhe an, um mir die Nachricht beizubringen.
    »Ihr Freund Mavros, Georges Mavros, wurde heute Morgen umgebracht. Als er nach Hause kam. Man hat ihn mit durchtrennter Kehle im Ring gefunden. Genau wie Sonia. Haben Sie mir immer noch nichts zu sagen?«
    Georges. Ich dachte sofort an Pascale, bescheuert. Pascale hatte ihm seit sechs Monaten keine Lebenszeichen mehr zukommen lassen. Sie hatte keine Kinder. Mavros war allein. Wie ich. Ich hoffte von Herzen, dass er mit seiner Freundin aus Réunion einen schönen, glücklichen Abend verbracht hatte.
    »Ich komme.«
    »Auf der Stelle!«, befahl Hélène Pessayre. »Zum Boxstudio. Dann können Sie ihn gleich identifizieren. Das ist das Mindeste, was Sie ihm schulden, oder nicht?«
    »Ich bin schon unterwegs«, antwortete ich mit gebrochener Stimme.
    Ich legte auf. Das Telefon klingelte wieder.
    »Weißt du Bescheid, wegen deines Kumpels?«
    Der Killer.
    »Ich habe es gerade erfahren.«
    »Schade.« Er lachte. »Ich hätte es dir gern selbst gesagt. Aber die Flics sind von der schnellen Sorte heute.«
    Ich gab keine Antwort. Ich prägte mir seine Stimme ein, als ob ich dadurch ein Phantombild von ihm

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