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Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Titel: Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Claude Izzo
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Cooper gab er mir schließlich doch noch zwei Halbe mit an den Tisch, fast hätte ich meine Polizeimarke zücken müssen. Für manche war sogar ich zu braun gebrannt.
    »Hast du mit dem Training aufgehört?«, fragte ich, als ich mit dem Bier zurückkam.
    Auf mein Anraten hin hatte er sich in einem Boxstudio in Saint-Louis eingeschrieben. Bei Georges Mavros, einem alten Kumpel. Mavros war nach einigen Siegen auf dem Weg zum Champion gewesen. Dann musste er sich zwischen der Frau, die er liebte, und dem Boxen entscheiden. Er heiratete. Er wurde Lastwagenfahrer. Als er mitkriegte, dass seine Frau querbeet vögelte, sobald er auf der Straße war, konnte er kein Champion mehr werden. Er warf Frau und Arbeit hin, verkaufte, was er hatte, und eröffnete dieses Studio.
    Driss hatte alles, was der Sport verlangte. Intelligenz und Leidenschaft. Er konnte ebenso gut werden wie seine Idole Stéphane Hac— coun oder Akim Tafer. Mavros würde einen Champion aus ihm machen. Daran glaubte ich. Vorausgesetzt er hielt durch, auch hier.
    »Zu viel Stress. Stundenlang mussten wir uns prügeln! Und der Inhaber ist 'ne echte Null. Klebt mir die ganze Zeit am Arsch.«
    »Du hast nicht angerufen. Mavros hat auf dich gewartet.«
    »Was Neues über Leila?«
    »Deshalb wollte ich mit dir reden. Weißt du, ob sie einen Freund hatte?«
    Er guckte mich an, als wollte ich ihn verarschen. »Sind Sie nicht ihr Typ?«
    »Ich bin ihr Freund. Wie deiner.«
    »Ich dachte, Sie ficken sie.«
    Fast hätte ich ihm eine runtergehauen. Es gibt Wörter, von denen mir übel wird. Dieses besonders. Vergnügen hat etwas mit Respekt zu tun. Das fängt bei den Wörtern an. So habe ich immer gedacht.
    »Ich fi cke keine Frauen. Ich liebe sie ... Jedenfalls versuche ich es ... «
    »Und Leila?«
    »Was hast du denn gedacht?«
    »Ich hätte nichts dagegen gehabt.«
    »Vergiss es. Gute Jungen in deinem Alter gibts genug.«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Dass ich nicht weiß, wo sie ist, Driss. Hör mal! Nur weil ich nicht mit ihr geschlafen habe, heißt das nicht, dass ich sie nicht liebe!«
    »Wir werden sie wieder f inden.«
    »Das habe ich deinem Vater auch gesagt. Siehst du, das hat mich zu dir geführt.«
    »Sie hat keinen Freund. Nur uns. Mich, Kader und Vater. Die Uni. Ihre Freundinnen. Und Sie. Sie redet ständig von Ihnen. Finden Sie sie. Das ist Ihr Job!«
    Er war gegangen, nachdem er mir die Telefonnummer von zwei ihrer Freundinnen gegeben hatte, Jasmine und Karine, denen ich einmal begegnet war, und von Kader in Paris. Aber es gab keinen Grund, warum sie ohne ein Wort nach Paris gefahren sein sollte. Selbst wenn Kader Probleme hatte, hätte sie etwas gesagt. Außer - dem war Kader clever. Er schmiss den Lebensmittelladen praktisch allein.
    Sie waren zu acht. Sechzehn bis siebzehn Jahre alt. Sie kamen vom Alten Hafen herauf. Wir warteten in der Metrostation des Bahnhofs Saint-Charles auf sie. Sie hatten sich im vorderen Teil eines Wagens breit gemacht. Auf den Sitzen stehend, schlugen sie zum Rhythmus aus dem Kassettenrecorder gegen Wände und Scheiben, als seien es Trommeln. Die Musik im Blut. Rap, natürlich. IAM erkannte ich. Eine Top-Band aus Marseille. Sie war oft auf Radio Grenouille zu hören, dem Gegenstück zu Nova in Paris. Es brachte alle Rap— und Ragga-Gruppen aus Marseille und dem Süden. IAM, Fabulous Trobadors, Bouducon, Hypnotic, Black Lions. Und Massilia Sound System, die im Milieu des Fanclubs der Ultras in der südlichen Kurve der Radrennbahn geboren wurde. Das Ragga-und Hip-Hop-Fieber hatte von der Gruppe auf Anhänger von Olympique Mar - seille und schließlich auf die ganze Stadt übergegriffen.
    In Marseille wird getchatcht, wie man hier sagt. Der Rap ist nichts anderes. Tchatchen und mehr. Die Cousins aus Jamaika hatten hier ihre Brüder gefunden. Und sie diskutierten wie in der Kneipe. Über Paris, über den zentralistischen Staat, die heruntergekommenen Vororte, die Nachtbusse. Das Leben, ihre Probleme. Die Welt aus der Sicht von Marseille.

    Wir überleben im Rhythmus des Rap.
    Deshalb schlagen wir, tap, tap, tap!
    Sie wollen die Macht und den Kies in Paris.
    Ich bin 22 und hab viel zu tun.
    Gegen Verrat meiner Brüder bin ich immun.
    Bevor ich geh, sag ich's euch ins Gesicht:
    Der Staat behandelt mich nicht
    wie einen erbärmlichen Wicht.
    Und es schlug und schlug im Zug. Ta m , ta m , ta m aus Afrika, der Bronx und vom Mars. Rap war nicht mein Fall. Aber die Texte von LAM, das musste ich zugeben, kamen gut. Schön und gut.

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