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Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Titel: Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Claude Izzo
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Außerdem hatten sie groove, wie man sagt. Ich brauchte nur den beiden Jungen zusehen, die vor meiner Nase tanzten.
    Die Passagiere hatten sich in den hinteren Teil des Wagens zurückgezogen. Sie senkten die Köpfe, als hörten und sähen sie nichts. Sie dachten sich trotzdem ihren Teil. Aber wozu das Maul aufreißen? Um einen Messerstich zu kassieren? An der Station zögerten die Leute einzusteigen. Sie drängten sich im hinteren Teil zusammen. Seufzend und zähneknirschend, im Kopf den Traum einer Tracht Prügel. Und von Mordgelüsten.
    Cerutti mischte sich unter sie. Er überprüfte die Funkverbindung mit dem Hauptquartier, für den Ernstfall. Pérol pflanzte sich im leeren Teil auf. Ich setzte mich mitten unter die Bande und schlug eine Zeitung auf.
    »Gehts nicht mit 'n bisschen weniger Zirkus?«
    Einen Moment zögerten sie.
    »Was scheißt du hier rum, Alter!«, dröhnte einer und ließ sich auf den Sitz fallen.
    »Störn wir dich vielleicht?«, meinte ein anderer und setzte sich neben mich.
    »Genau. Wie bist du darauf gekommen?« Ich sah meinem Nach - barn in die Augen.
    Die anderen hörten auf, die Wände zu bearbeiten. Es wurde ernst. Sie drängten sich um mich.
    »Ey, Alter, was hast du gegen uns? Magst du keinen Rap? Gefallen dir unsere Fressen nicht?«
    »Ich mag es nicht, wenn ihr mich anmacht.«
    »Hast du gesehen, wie viele wir sind? Du kriegst Ä rger, Alter.«
    »Ja, das hab ich gesehen. Zu acht reißt ihr 's Maul auf. Alleine habt ihr keinen Mumm.«
    »Und du, hast du welchen?«
    »Wenn ich nicht hier wäre, könntest du mich nicht fragen.«
    Hinten guckten sie hoch. Na, der hat Recht. Wir werden die doch nicht auf unseren Köpfen herumtanzen lassen. Der Mut, etwas zu sagen. Die Station Réformés-Canebière. Der Wagen füllte sich weiter. Ich spürte Leute hinter mir. Cerutti und Pérol muss ten herangekommen sein.
    Die Jungen kamen leicht aus der Fassung. Offenbar hatten sie keinen Chef. Sie drehten einfach so ab. Nur um Ärger zu machen, reine Provokation. Nur zum Spaß. Aber das konnte sie teuer zu stehen kommen. Eine Tausend-Francs-Strafe war schnell verhängt. Ich schlug die Zeitung wi eder auf. Der mit dem Kassetten rekorder drehte wieder ein bisschen auf. Ein anderer klopfte ans Fenster. Aber leise, nur probeweise. Die anderen warteten erstmal ab. Sie zwinkerten sich zu, lächelten mit Kennermiene, knufften sich mit dem Ellenbogen. Echte Kinder. Der mir gegenüber legte fast seine Turnschuhe auf meine Zeitung.
    »Wo steigst du aus?«
    »Was geht dich das an?«
    »Es war besser, wenn du nicht hier wärst.«
    Hundert Augen auf meinen Rücken geheftet, so kam ich mir vor. Wie ein Lehrer vor einer Klasse Rabauken. Cinq-Avenue-Long - champ. Les Chartreux. Saint-Just. Eine Station folgte der anderen. Die Gören mupften nicht mehr auf. Sie sannen auf Rache. Der Wagen begann sich zu leeren. Malpassé. Hinter mir Leere.
    »Wenn wir dir die Fresse polieren, rührt sich keiner«, sagte einer und stand auf.
    »Sind nicht mal zehn. Darunter eine Tussi und zwei alte Knacker.«
    »Du wirst es nicht tun.«
    »Ach ja? Woher weißt du das?«
    »Du hast nur eine große Schnauze.«
    Frais— Vallon. Sozialbauwohnungen. Kein Horizont.
    »Ai-o-l i! «, rief einer von ihnen.
    Sie stiegen im Laufschritt aus. Ich sprang auf und erwischte den Letzten am Arm. Fest, aber ohne Gewalt. Er wehrte sich. Die Fahr - gäste beeilten sich, den Bahnsteig zu verlassen.
    »Jetzt bist du allein.«
    »Lass mich los, du Arschloch.« Er nahm Cerutti und Pérol, die langsam weggingen, als Zeugen. »Der spinnt, der Alte. Will mir die Fresse einschlagen.«
    Cerutti und Pérol sahen nicht hin. Der Bahnsteig lag verlassen da. Ich spürte, wie die Wut in ihm aufstieg. Und auch die Angst.
    »Keiner wird dich verteidigen. Du bist Araber. Ich könnte dir hier auf dem Bahnsteig die Haut abziehen. Keiner wird sich rühren. Verstehst du? Also, hört auf, Dummheiten zu machen, du und deine Kumpel. Sonst stoßt ihr eines Tages auf Typen, die euch nicht davonkommen lassen. Verstanden?«
    »Ja, alles klar. Eh, du Arsch, das tut weh!«
    »Gib die Botschaft weiter. Wenn ich dich noch mal erwische, breche ich dir den Arm!«
    Als ich wieder an der Oberfläche auftauchte, war es schon dunkel. Fast zehn. Ich war fix und fertig. Zu ausgepumpt, um nach Hause zu gehen. Ich musste mich noch ein wenig herumtreiben. Mir war nach Gesellschaft. Nach so etwas wie pulsierendem Leben.
    Ich ging zum O'Stop. Einem Nachtlokal am Opernplatz. Musik - begeisterte und

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