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Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Titel: Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Claude Izzo
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MÒ si eur.«
    Er verstummte. Ich hatte ihn verärgert. Er blieb vor der Tür stehen, wahrend ich das Schlafzimmer durchsuchte. Es gab nichts zu suchen. Nur die Überzeugung zu bestätigen, dass Leila nicht ein - fach für einen Tapetenwechsel nach Acapulco geflogen war.
    Das Bett wa r gemacht. Über dem Waschbecken: Zahnbürste, Zahnpasta, Schminkutensilien. Ihre Sachen hingen ordentlich im Schrank. Ein Sack mit schmutziger Wäsche. Auf einem Tisch einige Blätter Papier, Hefte, Bücher.
    Ich fand, was ich suchte. Die Hafenbar von Louis Brauquier. Die Erstausgabe von 1926 auf reinem Büttenpapier mit Wasserzeichen, herausgegeben von der Zeitschrift Das Feuer. Nummer 36. Ich hatte es ihr geschenkt. Es war das erste Mal, dass ich mich von einem der Bücher aus meiner Fischerhütte getrennt hatte. Sie gehörten Manu und Ugo genauso wie mir. Sie symbolisierten die Erinnerung an unsere Jugend. Ich hatte oft davon geträumt, dass sie uns eines Tages alle drei wieder zusammenführen würden. Wenn Manu und Ugo mir verziehen hätten, dass ich Polizist geworden war. Wenn ich zugegeben hätte, dass es einfacher ist, Polizist zu sein als Ver - brecher, und wenn ich sie wie wiedergefundene Brüder mit Tränen in den Augen hätte umarmen können. Ich wusste, dass ich an jenem Tag das Gedicht von Brauquier lesen würde, das mit den Zeilen endet:
    Lange habe ich dich gesucht,
    Nacht der verlorenen Nächte.
    Wir hatten die Gedichte von Brauquier bei Antonin entdeckt. »Süßwasser fürs Schiff«, »Jenseits von Suez«, »Freiheit der Meere«. Wir waren siebzehn. Der alte Buchhändler erholte sich nur schlecht von einem Herzleiden. Abwechselnd schmissen wir den Laden. Während dieser Zeit warfen wir unsere Kohle nicht dem Flipper in den Rachen. Obendrein tauchten wir ein in unsere große Leiden - schaft: die alten Bücher. Die Romane, Reiseberichte und Gedichte, die ich damals gelesen habe, hatten einen eigenen Geruch: nach Höhle, nach Kellergewölbe. Sie strömten einen fast würzigen Geruch aus, eine Mischung aus Staub und Feuchtigkeit. Grau-grün. Heute riechen Bücher nicht mehr. Nicht mal nach Druckerschwärze.
    Die Erstausgabe von Die Hafenbar fand ich beim Stöbern in einem Karton, den Antonin nie geöffnet hatte. Ich hatte das Buch mitge - nommen. Ich blätterte die vergilbten Seiten durch, schloss es und steckte es in die Tasche. Ich sah den Hausmeister an.
    »Entschuldigen Sie wegen eben. Ich bin nervös.«
    Er zuckte mit den Schultern. Einer von denen, die es gewohnt waren, angeschnauzt zu werden.
    »Kannten Sie sie?«
    Statt einer Antwort gab ich ihm meine Karte. Für den Fall, dass ...
    Ich hatte das Fenster geöffnet und das Rollo heruntergezogen. Ich war erschöpft. Ich träumte von einem kalten Bier. Aber erst musste ich einen Bericht über Leilas Verschwinden schreiben und ihn an die Abteilung für vermisste Personen weiterleiten. Mouloud musste dann die Vermisstenmeldung unterschreiben. Ich hatte ihn ange - rufen. Er klang niedergeschlagen. Das ganze Elend dieser Welt hatte ihn in einer Sekunde eingeholt, um ihn nicht mehr loszulassen. »Wir werden sie finden.« Ich konnte nichts anderes sagen. Worte über dem Abgrund. Ich stellte ihn mir vor, wie er völlig weggetreten und bewegungslos am Tisch saß.
    Honorines Bild legte sich über das von Mouloud. Heute Morgen in ihrer Küche. Ich war um sieben hingegangen, um es ihr zu sagen, das mit Ugo. Ich wollte nicht, dass sie es aus der Zeitung erfuhr. Argues Leute hatten sich zurückgehalten. Ein kurzer Zwischenbericht auf der Seite für vermischte Nachrichten. Ein gefährlicher, international gesuchter Verbrecher wurde gestern niedergeschossen, als er das Feuer auf die Polizei eröffnen wollte. Es folgte ein kurzer Nachruf, aber nirgends wurde erwähnt, warum Ugo gefährlich war und welche Verbrechen er begangen haben könnte.
    Zuccas Tod hingegen machte Schlagzeilen. Die Journalisten hielten sich alle an dieselbe Version. Zucca war kein großer Fisch wie Mé me Guérini oder, kürzlich, Gaëtan Zampa, Jacky Le Mat oder Francis le Belge. Er hatte vielleicht gar nie jemanden getötet, es sei denn ein-oder zweimal, um sich zu beweisen. Als Rechtsanwalt und Sohn eines Rechtsanwalts war er in erster Linie Verwalter. Seit Zampas Selbstmord im Gefängnis verwaltete er das Reich der Mafia in Marseille. In die Streitereien der Clans oder einzelner Leute mischte er sich nicht ein.
    Auf einen Schlag war Zuc cas Hinrichtung Gesprächsthema N um - mer eins. Sie konnte einen neuen

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