Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea
Abend?«
»Ja.«
»Du hast mir nichts davon gesagt.«
»Ich wollte es aus deinem Munde hören. Dass du es mir sagst. Mir, Fonfon!«
»Scheiße auch!«
»Und siehst du, Fabio, ich glaube, dass du uns nicht alles erzählt hast. Félix denkt das auch. Aber ihm ist das schnurzegal. Das hat er gesagt. Auch wenn er so tut, als ob, er hängt nicht mehr sehr am Leben. Verstehst du ... Nein, du verstehst nicht. Manchmal verstehst du überhaupt nichts. Du lebst vor dich hin ...«
Fonfon fing an zu essen. Den Kopfüber seinen Teller geneigt. Ich konnte nicht. Nach drei Bissen und langem Schweigen sah er wieder auf. Seine Augen schwammen in Tränen.
»Nun iss schon, verdammt. Es wird noch kalt.«
»Fonfon ...«
»Ich werde dir noch etwas sagen. Ich bin hier, um ... um an deiner Seite zu sein. Aber ich weiß nicht, warum, Fabio. Ich weiß nicht, warum! Honorine hat mich darum gebeten. Zu bleiben. Sonst wäre sie nicht gegangen. Das hat sie mir zur Bedingung gemacht. Verflucht, versteh das mal!«
Er stand abrupt auf. Er legte seine Hände flach auf den Ti sch und neigte sich zu mir.
»Denn wenn sie mich nicht darum gebeten hätte, ich weiß nicht, ob ich geblieben wäre.«
Er ging in seine Küche. Ich stand auf und folgte ihm. Er weinte, den Kopf gegen den Gefrierschrank gelehnt. Ich legte meinen Arm um seine Schultern.
»Fonfon«, sagte ich.
Er drehte sich langsam um, und ich drückte ihn an mich. Er weinte weiter wie ein Kind.
Was für ein Schlamassel, das mit Babette. Was für ein Schlamassel.
Aber Babette konnte nichts dafür. Sie hatte es nur ausgelöst. Und ich entdeckte, wie ich wirklich war. Unaufmerksam anderen gegenüber, selbst denen, die ich liebte. Unfähig, mir ihre Ängste anzuhören, ihre Furcht. Ihren Wunsch, noch ein wenig zu leben und glücklich zu sein. Ich lebte in einer Welt, in der ich ihnen keinen Platz einräumte. Ich lebte eher neben ihnen her, als dass ich mit ihnen teilte. Ich nahm alles von ihnen an, manchmal mit Gleich - gültigkeit, ließ links liegen, oft aus Bequemlichkeit, was sie sagen oder tun mochten, das mir nicht gefiel.
Letztendlich hatte Lole mich deshalb verlassen. Wegen dieser Art, die ich hatte, über andere hinwegzugehen, träge, unbekümmert. Un - interessiert. Ich verstand es nicht, nicht einmal in den schlimmsten Momenten, ihnen zu zeigen, wie sehr ich wirklich an ihnen hing. Ich verstand es auch nicht zu sagen. Ich glaubte, alles gehe von selbst. Freundschaft. Liebe. Hélène Pessayre hatte Recht. Ich hatte Lole nicht alles gegeben. Ich hatte nie jemandem alles gegeben.
Ich hatte Lole verloren. Ich verlor Fonfon und Honorine. Und das war das Schlimmste, was mir passieren konnte. Ohne sie ... Sie waren meine letzte Zuflucht im Leben. Leuchttürme im Meer, waren nur sie fähig, den Weg zum Hafen zu weisen. Meinen Weg.
»Ich liebe euch beide. Ich liebe euch, Fonfon.«
Er sah zu mir hoch, dann machte er sich los.
»Schon gut, schon gut«, sagte er.
»Ich hab nur noch euch, verdammt!«
»Ja, eben!«
Er brach erneut in Wut aus.
»Das fällt dir jetzt ein! Dass wir sozusagen wie deine Familie sind! Aber die Killer gehen vor unserer Tür spazieren ... Die Flics hören dein Telefon ab, ohne deiner Kommissarin Bescheid zu sagen ... Und du? Das beunruhigt dich natürlich, also besorgst du dir eine Knarre. Aber wir? Um uns machst du dir keine Gedanken! ... Wir sollen darauf warten, dass Monsieur alles regelt. Dass alles wieder in Ordnung kommt. Und danach, wenn der Tod vorübergegangen ist und uns ausgespart hat, kehren wir zu unseren kleinen An - nehmlichkeiten zurück. Fischen, Aperitifs, Pétanque, Rommé am A b end ... Ist es so, Fabio? Siehst du die Dinge so? Sag mal, wer sind wir eigentlich, verflucht!«
»Nein«, murmelte ich. »So sehe ich die Dinge nicht.«
»So, und wie siehst du sie dann?« ì
Das Telefon klingelte.
»Montale.«
Hélène Pessayres Stimme war flach. Farblos.
»Ja.«
»Bruno ist heute Morgen gegen sieben durchgedreht...«
Ich schloss die Augen. In meinem Kopfüberschlugen sich die Bilder. Das waren nicht einmal mehr Bilder, sondern Ströme von Blut.
»Er hat seine Frau und seine beiden Kinder umgebracht ... Mit... Mit einer Axt. Es ist... «
Die Worte blieben ihr im Hals stecken.
»Und er, Hélène?«
»Er hat sich aufgehängt. Ganz einfach.«
Fonfon kam leise heran und stellte mir ein Glas Rosé hin. Ich stürzte ihn in einem Zug hinunter und bedeutete ihm, mir nachzuschenken. Er ließ die Flasche neben mir stehen.
»Was sagen
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