Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea
schluchzte sie.
»Das wird nie aufhören, Babette. Weil alles schon vorbei ist. Das willst du nicht verstehen. Aber wir können da noch raus. Überleben. Einige Zeit, ein paar Jahre. Lieben. Ans Leben glauben. An die Schönheit ... Und sogar der Gerechtigkeit und der Polizei in diesem Lande vertrauen.«
»Du bist verrückt«, sagte sie.
Und sie brach in Schluchzen aus.
Einundzwanzigstes Kapitel
In dem es offensichtlich zu sein scheint,
dass das Verderben blind ist
Ich steuerte mein Boot in den Hafen von Frioul. Es war genau neun Uhr. Das Meer war aufgewühlter, als ich gedacht hatte, nachdem ich Les Goudes verlassen hatte. Für Babette, sagte ich mir, während ich den Motor herunterstellte, werden die letzten dreißig Minuten nicht gerade ein Vergnügen gewesen sein. Aber ich hatte eine Stärkung für sie dabei. Wurst aus Arles, eine Wildschweinpastete, sechs kleine Ziegenkäse aus Banon und zwei Flaschen Roten aus Bandol. Von der Domaine Cagueloup. Und meine Flasche Lagavulin, für später am Abend. Bevor ich wieder aufs Meer fuhr. Félix würde nichts gegen einen guten Schluck einzuwenden haben, das wusste ich.
Ich war angespannt. Zum ersten Mal war ich mit einem Ziel, aus einem ganz bestimmten Grund rausgefahren. In meinem Kopf war auf einen Schlag alles durcheinander gegangen. Einen Augenblick ging ich sogar so weit, mich zu fragen, wie ich so weit gekommen war, in meinem Alter, mit einer reichlich vagen Vorstellung davon, wer ich war und was ich im Leben wollte. Es hatte sich keine Antwort aufgedrängt. Dafür aber weitere Fragen, noch präzisere, die ich zu verdrängen versucht hatte. Die letzte war die einfachste. Was hatte ich da zu suchen, heute Abend, in meinem Boot, mit einer Knarre, einer 6.35, in der Jackentasche?
Denn ich hatte Manus Knarre mitgenommen. Nach einigem Zögern. Seit Honorine und Fonfon fort waren, war ich hilflos. Ohne Bezugspunkte. Und allein. Einen Moment hätte ich beinahe Lole angerufen. Um ihre Stimme zu hören. Aber was hätte ich ihr dann sagen sollen? Dort, wo sie war, gab es nicht die geringste Ähnlich - keit mit hier. Dort war niemand ermordet worden. Und man liebte sich dort zweifellos. Sie und ihr Freund zumindest.
Da hatte mich die Angst überfallen.
Als ich das Boot herausholte, hatte ich mit für einen Augenblick gesagt: Und wenn du dich täuschst, Fabio, wenn sie einen guten Riecher haben und dir aufs Meer folgen? Ich hatte einige Schachteln Zigaretten gekauft und auf dem Rückweg festgestellt, dass der Fiat Punto nicht an der Ecke parkte. Ich war die Straße zu Fuß wieder hochgegangen, fast bis zum Dorfausgang. Der weiße 304 war auch nicht da. Weder Killer noch Flics . Genau in dem Moment spürte ich, wie mein Magen sich vor Angst zusammenkrampfte. Wie eine Alarmglocke. Das war nicht normal, sie hätten da sein müssen. Die Killer, weil sie Babette nicht erwischt hatten. Die Flics , weil Hélène Pessayre dafür gesorgt hatte. Aber es war zu spät. Zu dem Zeitpunkt war Félix schon auf dem Meer.
Ich entdeckte Félix' Boot ganz rechts vom Damm, der die Inseln Pomègues und Ratonneau verbindet. Auf der bebauten Seite. Da, wo einige Bars geöffnet hatten. Der Hafen war ruhig. Nicht einmal im Sommer zog Frioul abends Menschenmengen an. Die Marseiller kamen nur tagsüber hin. Mit den Jahren waren alle Bauprojekte in Gleichgültigkeit versunken. Die Frioul-Inseln waren kein bewohn - barer Ort, nur ein Platz, an dem man im kalten, offenen Meer tauchen, fischen und schwimmen konnte.
»He! Félix!«, rief ich, während ich mein Boot an seines herangleiten ließ.
Er bewegte sich nicht. Er schien zu schlafen. Den Oberkörper leicht vorgeneigt.
Mein Bootsrumpf stieß sanft gegen seinen.
»Félix!«
Ich langte hinüber und schüttelte ihn leicht. Sein Kopf kippte zur Seite, dann nach hinten, und seine toten Augen starrten mich an. Das Blut floss noch aus seiner aufgeschlitzten Kehle.
Sie waren da.
Babette, dachte ich.
Wir saßen in der Falle. Und Félix war tot.
Wo war Babette?
Eine Grundsee drehte mir den Magen um, und ich hatte den säuerlichen Geschmack von Galle im Rachen. Ich beugte mich vorn - über. Zum Kotzen. Aber ich hatte nichts als einen langen Zug Laga - vulin im Magen, den ich unterwegs hinuntergestürzt hatte.
Félix.
Seine toten Augen. Für immer.
Und das Blut, das lief. Das für den ganzen Rest meines vermale - deiten Lebens in meiner Erinnerung laufen würde.
Félix.
Nur weg dort.
Mit einem kräftigen Schwung stieß ich mich von seinem
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