Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea
zur Langleine greifen. Damit fängt man seinen Fisch sehr schnell. Rotbrassen, Goldbrassen, Rochen, Knurrhahn. Aber es machte mir keinen Spaß. Man befestigt alle zwei Meter einen Haken und lässt die Leine im Wasser treiben. Ich hatte immer eine Langleine im Boot, für den Fall, dass ich nicht mit leeren Händen im Hafen einlaufen wollte. Aber Fischen bedeutete für mich, mit der Rute zu angeln.
Durch Leila war ich wieder auf Lole gekommen und durch Lole auf Ugo und Manu. In meinem Kopf herrschte ein heilloses Durch - einander. Zu viele Fragen und keine Antwort. Aber eine Frage drängte sich auf, und die wollte ich nicht beantworten. Was würde ich tun? Für Manu hatte ich nichts getan. Weil ich überzeugt war, ohne es mir einzugestehen, dass Manu so enden musste. Auf der Straße erschossen. Von einem kleinen Ganoven im Auftrag eines anderen, wie üblich. Oder von einem Bullen. Das war logisch nach dem Gesetz der Straße. Dass Ugo im Rinnstein krepieren sollte, war es weniger. Denn er hatte nicht diesen Hass gegen die ganze Welt in sich, den Manu tief in seinem Innern genährt hatte und der mit den Jahren nur gewachsen war.
Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Ugo sich in diesem Punkt geändert hatte. Ich traute ihm nicht zu, eine Knarre herauszuziehen und auf einen Bullen zu schießen. Er kannte das Leben. Deshalb hatte er mit Marseille und Manu gebrochen. Und auf Lole verzichtet. Jemand, der das konnte, da war ich mir sicher, würde niemals Leben und Tod gegeneinander aufrechnen. Einmal gestellt, hätte er sich verhaften lassen. Das Gefängnis ist nur ein Stück Freiheit in Klammern. Früher oder später kommt man wieder heraus. Lebend. Wenn ich etwas für Ugo tun konnte, dann war es das: verstehen, was passiert war.
Gerade als ich den Fisch am Haken spürte, kam mir die Unterhaltung mit Djamel wieder in den Sinn. Ich schlug nicht schnell genug an. Ich zog die Schnur wieder ein und befestigte einen neuen Köder. Um zu verstehen, musste ich mir in dieser Richtung Klarheit verschaffen. Hatte Argue Ugo anhand von Zeugenaussagen von Zuccas Leibwachen identifiziert? Oder hatte er ihn beschatten lassen, seit er Loles Haus verlassen hatte? Hatte er Zucca durch Ugo töten lassen? Das war eine Hypothese, aber ich konnte sie nicht halten. Ich mochte Argue nicht, aber so machiavellistisch konnte ich ihn mir nicht vorstellen. Ich kam auf eine andere Frage zurück: Woher wusste Ugo so schnell über Zucca Bescheid? Und von wem? Eine andere Spur. Ich wusste noch nicht, wie, aber ich musste ihr folgen. Ohne in Argues Fußspuren zu stapfen.
Ich hatte das Bier ausgetrunken und trotz allem einen Seewolf gefangen. Zwei bis zweieinhalb Kilo. Für einen schlechten Tag war das besser als nichts.
Honorine wartete auf mich. Sie saß auf der Terrasse und sah durch das Fenster Fernsehen.
»Armer Kerl, als Fischer wären Sie nicht reich geworden, oje, oje«, sagte sie, als sie meinen Seewolf sah.
»Ich bin nie rausgefahren, um reich zu werden.« »Nur ein See - wolf ...« Sie sah ihn betrübt an. »Wie sollen wir ihn zubereiten?« Ich zuckte mit den Schultern. »Na ja, mit Sauce Belle Hélène wäre vielleicht nicht schlecht.«
»Dazu brauchten wir einen Krebs, und den hab ich nicht.« »Oh, er macht ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter. Guter Gott, ich lass ihn lieber in Ruhe, nicht wahr? Übrigens, ich hab gestern Kabeljau - zungen eingelegt. Wenn Sie wollen, bringe ich sie morgen mit?«
»Nie gegessen. Wo haben Sie die denn aufgetrieben?« »Na, eine Nichte hat sie mir aus Séte mitgebracht. Ich hab sie nicht mehr gegessen, seit mein armer Toinou von uns gegangen ist. Nun, ich habe Ihnen Gemüsesuppe mit Basilikum aufgehoben. Sie ist noch warm. Ruhen Sie sich aus. Sie sehen aber wirklich zerknautscht aus.«
Babette zögerte nicht eine Sekunde. »Bat isti«, sagte sie.
Batisti. Zum Teufel! Warum war ich nicht früher darauf gekommen? Es war so offensichtlich, dass ich überhaupt nicht daran gedacht hatte.
Batisti war einer der Handlanger von Même Guérini gewesen, dem Gangsterboss im Marseille der Vierzigerjahre. Er hatte sich vor zwanzig Jahren zurückgezogen. Nach dem Blutbad im Tanagra, einer Kneipe im Alten Hafen, wo vier Rivalen und Verbündete Zampas hingerichtet worden waren. Hatte Batisti sich als Freund Zampas bedroht gefühlt? Babette wusste es nicht.
Er hatte eine kleine Import-Export-Firma aufgebaut und führte ein beschauliches Leben, geachtet von allen Ganoven. Er hatte sich nie in die Auseinandersetzungen
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