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Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Titel: Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Claude Izzo
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anzu - sehen, dass nicht Gott, sondern das Leben sie inspirierte. Und alle Freuden, die damit verbunden waren.
    Wir hatten nochmals ein Verhältnis, so kurz wie das erste. Aber wir trafen uns gern wieder. Ein Abendessen, eine Nacht, ein Wochenende. Sie erwartete nichts. Ich verlangte nichts. Jeder ging wieder seinen Angelegenheiten nach, bis zum nächsten Mal. Bis zu dem Tag, an dem es kein nächstes Mal gab. Und beim letzten Mal wussten wir beide, sie und ich, dass es das letzte Mal war.
    Ich hatte mich frühmorgens in die Küche gestellt und alten Blues von Lightnin' Hopkins gehört. Nachdem ich den Seewolf ausgenom - men, mit Fenchel gefüllt und mit Olivenöl begossen hatte, bereitete ich die Sauce für die Lasagne vor. Der Rest des Fenchels hatte auf kleiner Flamme mit etwas Butter in Salzwasser gekocht. In einer gut geölten Pfanne hatte ich Zwiebelscheiben, fein gehackten Knoblauch und Paprika gedünstet. Noch einen Esslöffel Essig, dann kamen die blanchierten und in kleine Würfel geschnittenen Tomaten dazu. Als das Wasser verkocht war, hatte ich den Fenchel hinzugefügt.
    Allmählich beruhigte ich mich. Kochen hatte diese Wirkung auf mich. Der Geist verlor sich nicht mehr in komplexen Gedanken - windungen. Er konzentrierte sich auf die Gerüche und den Ge - schmack. Die Sinnesfreuden.
    Babette kam beim Last Night Blues, als ich mir gerade den dritten Pastis einschenkte. Sie trug hautenge, schwarze Jeans und ein blaues, zu ihren Augen passendes Polohemd. Auf den langen, lockigen Haaren eine weiße Leinenmütze. Wir waren ungefähr im gleichen Alter, aber sie schien nicht älter zu werden. Die kleinste Falte an den Augen oder im Mundwinkel machte sie nur noch verführerischer. Sie wusste das und spielte geschickt damit. Das ließ mich nie unberührt. Sie schnupperte über der Pfanne und bot mir ihre Lippen.
    »Hallo, Matrose«, sagte sie. »Hmm, ich würde gern ei nen nehmen, einen Pastis.«
    Auf der Terrasse hatte ich den Grill vorbereitet. Honorine brachte die Kabeljauzungen mit. Sie lagen in einer Marinade aus Öl, gehackter Petersilie und Pfeffer. Nach ihren Anweisungen hatte ich einen Bierteig mit zwei steif geschlagenen Eiweiß hergestellt.
    »Na los, trinkt in Ruhe euren Pastis. Ich kümmere mich um den Rest.«
    Kabeljauzungen waren eine Spezialität, erklärte sie beim Essen. Sie schmeckten gratiniert, in Muschelsauce, à la provençale oder in Weißwein mit Trüffel-und Champignonstückchen. Aber in Bierteig waren sie ihrer Meinung nach am besten. Babette und ich wollten die anderen Rezepte gern ausprobieren, so gut schmeckten sie.
    »Bekomme ich jetzt eine Lutschstange?«, fragte Babette und leckte sich die Lippen.
    »Meinst du nicht, dafür sind wir zu alt?«
    »Zum Naschen ist man nie zu alt, mein Schatz!«
    Ich wollte über all das nachdenken, was sie mir über das Milieu erzählt hatte. Eine verdammte Lektion. Und über Batisti. Ich brannte darauf, ihn zu besuchen. Aber das konnte bis morgen warten. Es war Sonntag, und für mich war nicht jeden Tag Sonntag. Babette musste meine Gedanken gelesen haben. »Cool, Fabio. Entspann dich, es ist Sonntag.« Sie stand auf und griff nach meiner Hand. »Gehen wir baden? Das wird deinen Eifer abkühlen!«
    Wir schwammen, bis die Lungen platzten. Ich liebte das. Sie auch. Sie wollte mit dem Boot in die Baie des Singes hinausfahren. Aber ich weigerte mich. Im Boot nahm ich aus Prinzip niemanden mit. Es war meine Insel. Sie hatte getobt, mich einen Dummkopf und elenden Penner geschimpft und war ins herrlich frische Wasser gesprungen. Außer Atem und mit müden Armen machten wir den toten Mann und ließen uns treiben.
    »Was willst du tun, wegen Ugo?«
    »Verstehen. Dann werde ich weitersehen.«
    Zum ersten Mal fasste ich die Möglichkeit ins Auge, dass verstehen nicht reichen könnte. Verstehen heißt eine Tür öffnen, aber man weiß selten, was dahinter ist.
    »Pass auf, wo du hintrittst.«
    Und sie tauchte. Mit Kurs auf mich.
    Es war spät. Babette war geblieben. Wir hatten uns bei Loise tt e eine Pizza mit Tintenfisch geholt. Wir aßen sie auf der Terrasse mit einem Rosé Côtes de Provence vom Gut Negrel. Kühl, gerade richtig. Wir leerten die Flasche. Dann fing ich an, von Leila zu erzählen. Von der Vergewaltigung und allem. Langsam, eine Zigarette rauchend. Ich suchte nach Wörtern, um die treffendsten zu finden. Es war dunkel geworden. Ich schwieg. Leer. Die Stille umhüllte uns. Keine Musik, nichts. Nur das Plätschern des Wassers gegen die Steine.

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