Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea
beiden Itakern hast du, glaube ich, nichts zu befürchten. Die Neapolitaner suchen einen Nachfolger für Zucca. Sie haben mit dir Verbindung aufgenommen, denke ich. Du stehst noch immer im Adressbuch der Mafia. Rubrik: Ratgeber. Vielleicht haben sie dich sogar schon ausgesucht.« Ich beobachtete seine Reaktion. »Oder Brunel . Oder Émile Poli. Oder deine Tochter.«
Seine Mundwinkel zuckten leicht. Zweimal. Aha. Ich schien der Wahrheit näher zu kommen.
»Du bist ja vollkommen verrückt! Dir so was auszudenken.«
»Ganz und gar nicht! Das weißt du sehr gut! Nicht verrückt. Aber vielleicht hab ich ein Brett vor dem Kopf. Ich kapier rein gar nichts. Warum du Zucca hast von Ugo umlegen lassen. Wie das alles or - ganisiert werden konnte. Die Aktion von Ugo, kaum dass er in Marseille war. Warum dein Kumpel Morvan ihm nach dem Job aufgelauert hat. Was für ein faules Spiel du dabei spielst. Keine Ahnung. Und noch weniger, warum Manu sterben musste und durch wen. Ich habe nichts gegen dich in der Hand. So wenig wie gegen die anderen. Bleibt Simone. Die werde ich mir mal vornehmen.«
Ich war sicher, ins Schwarze getroffen zu haben. Seine Augen sprühten elektrische Funken. Er rang seine Hände, dass die Gelenke knackten.
»Rühr sie nicht an! Ich hab nur sie!«
»Ich habe auch nur sie. An ih r kann ich mich festbeißen. Lou bet ist an der Sache mit der Kleinen dran. Du siehst, Batisti: Ich habe alles im Griff. Toni, seine Waffe, den Ort. Ich schiebe Loubet das alles zu, und eine Stunde später hat er Simone. Die Vergewaltigung hat bei ihr stattgefunden. Das Restanques gehört ihr, nicht wahr?«
Das war Babettes brandheiße Information in letzter Minute. Natür - lich hatte ich keinen Beweis für all das, was ich vorbrachte. Aber das machte nichts. Batisti wusste es nicht. Das Gespräch nahm für ihn eine unerwartete Wendung. Ich führte ihn auf offenes Gelände.
»Ihre Heirat mit Emile war ein Fehler. Aber die Kinder können ja nicht hören. Die Poli-Brüder konnte ich noch nie leiden.«
Die frische Brise war verschwunden. Ich hätte mich am liebsten aus dem Staub gemacht, mit meinem Boot mitten aufs Meer. Meer und Ruhe. Mir war die ganze Menschheit zuwider. All diese Geschichten zeigten wieder einmal, wie unendlich mies und mickrig diese Welt war. In größerem Maßstab wurden daraus Kriege, Massaker, Völkermorde, Fanatismus und Diktaturen. Als hätte man schon dem ersten Menschen, der zur Welt kam, so übel mitgespielt, dass er voller Hass war. Wenn es einen Gott gibt, sind wir alle Hurenkinder.
»Durch sie haben sie dich in der Hand, stimmts?«
»Zucca war jahrelang ihr Buchhalter. Mit Zahlen konnte er besser umgehen als mit dem Schießeisen. Der Krieg der Clans, Angriff und Vergeltung, das war nicht sein Ding. Aber er hat die Punkte gezählt. Die Mafia suchte eine Vertretung in Marseille und hat ihn als Mittelsmann ausgesucht. Er hat sein Schiff gut geführt. Wie ein Wirtschaftskapitän. Das war er die letzten Jahre. Ein Geschäfts - mann. Wenn du wüßtest ...«
»Das will ich gar nicht wissen. Es interessiert mich nicht. Ich bin sicher, es ist zum Kotzen.«
»Man konnte besser mit ihm arbeiten als mit den Poli-Brüde rn , verstehst du. Die sind nur Handwerker. Ihnen fehlt der Weitblick. Ich glaube, Zucca hätte sie früher oder später eliminiert. Sie wurden zu unbequem. Besonders seit sie unter Morvans und Weplers Ein - fluss standen.«
»Sie wollen Marseille säubern. Träumen davon, die ganze Stadt abzufackeln. Ein großes Inferno, ausgehend von den nördlichen Vierteln. Meuten junger Leute beim Plündern. Wepler kümmert sich darum. Sie stützen sich auf die Dealer und ihre Netze. Sie sollen Druck auf die Jungen ausüben. Wie es scheint, sind sie zu allem bereit.«
Gewalt auf der einen Seite. Angst und Rassismus am anderen Ende. Damit wollen sie ihre faschistischen Kumpel ins Rathaus bringen. Sie selbst bleiben im Hintergrund. Wie zu Zeiten Sabianis, des allmächtigen Beraters des Bürgermeisters und Freundes von Carbone und Spirito, den beiden großen Gangsterbossen der Marseiller Unterwelt in der Vorkriegszeit. Sie werden ihre Geschäfte abwickeln, den Italienern Paroli bieten. Sie träumen schon davon, Zuccas Kassenschrank zurückzuerobern.
Ich hatte genug gehört, um die Lust aufs nächste Jahrhundert zu verlieren. Zum Glück war ich vorher mausetot! Was konnte ich mit all dem anfangen? Gar nichts. Ich sah nicht, wie ich Batisti bei Loubet zum Sprechen bringen könnte. Ich hatte keinen Beweis
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