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Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Titel: Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Claude Izzo
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angezündet und gewartet. Als Erstes tauchte eine Frau um die dreißig auf. Lachsfarbenes Leinenkostüm, rundlich, stark geschminkt. Als sie mich sah, wich sie zurück. Sie drückte ihre Handtasche an die Brust und entfernte sich sehr schnell auf der Suche nach ihrem Auto. Nach meiner Zigarette war ich wieder hinaufgegangen.
    Baristi saß auf der Bank und wischte sich mit einem großen, weißen Taschentuch die Stirn. Er wirkte wie ein biederer, pensionierter Seemann, ein guter alter Marseiller. In seinem weißen Hemd, das noch immer über der blauen Leinenhose hing, Espadrilles an den Füßen und eine Seemannsmütze fest auf dem Kopf. Baristi sah den Kai in der Ferne verschwinden. Die beiden Itaker zögerten. Selbst wenn sie ein Taxi kriegten, was ein Wunder wäre, würden sie zu spät auf der anderen Seite des Hafens ankommen. Sie hatten uns verloren. Für den Moment.
    Ich lehnte mich aus einem Fenster und kümmerte mich nicht um Batisti. Er sollte in seinem eigenen Saft schmoren während der Überfahrt. Ich mochte diese Überfahrt. Die Fahrrinne zwischen den beiden Festungen Saint-Nicolas und Saint-Jean, die den Eingang von Marseille bewachten, mit dem Gesicht zum Meer und nicht zur Canebière. So musste es sein: Marseille, das Tor zum Orient. Ferne. Abenteuer, Traum. Die Marseiller reisten nicht gern. Alle Welt hält sie für Seefahrer und Abenteurer, glaubt, dass jedermanns Vater oder Großvater mindestens einmal um die Welt gereist sei. Dabei waren sie höchstens bis Niolon oder Cap Croi sette gekommen. Für die Kinder aus bürgerlichen Familien war das Meer tabu. Der Hafen war gut für Geschäfte, aber das Meer war schmutzig. Von dort kam das Böse. Und die Pest. Sobald die warmen Tage kamen, zogen sie aufs Land. Nach Aix und Umgebung, in die Landhäuser. Das Meer überließ man den Armen.
    Der Hafen war der Spielplatz unserer Kindheit. Zwischen den beiden Forts hatten wir schwimmen gelernt. Einmal hin und zurück, hieß es eines Tages. Um ein Mann zu sein. Und die Mädchen zu beeindrucken. Beim ersten Mal mussten Manu und Ugo mich raus - fischen. Ich wäre fast ertrunken und war völlig außer Atem.
    »Du hast Angst.«
    »Nein, ich krieg keine Luft mehr.« Luft kriegte ich schon. Aber ich hatte Angst.
    Manu und Ugo waren nicht mehr da, um mir zu helfen. Sie waren untergegangen, und ich hatte sie nicht retten können. Ugo hatte nicht versucht, mich zu treffen. Lole war auch verschwunden. Ich war allein, und ich tauchte in den Morast. Aus Solidarität. Mit unserer zerbrochenen Jugend. Freundschaft duldet keine Schulden. Am Ende der Reise würde nur ich übrig sein. Wenn ich überhaupt ankam. Aber ein paar Illusionen hatte ich noch im Leben. Und einige zähe, alte Träume. Jetzt wusste ich, was leben heißt, glaube ich.
    Wir näherten uns dem Kai. Batisti stand auf und ging auf die andere Seite der Fähre. Er war beunruhigt. Er warf mir einen Blick zu. Ich konnte nichts darin lesen, weder Angst noch Hass, noch Resignation. Nur kalte Gleichgültigkeit. Keine Spur von den Itakern an der Place de la Mairie. Batisti folgte mir schweigend. Wir gingen am Rathaus vorbei und stiegen die Rue de la Guirlande hinauf.
    »Wo gehen wir hin?«, fragte er schließlich.
    »An einen ruhigen Ort.«
    An der Rue Caisserie gingen wir links. Wir standen vor Chez Félix. Auch ohne die Bedrohung der Itaker hatte ich ihn hierher bringen wollen. Ich nahm Batisti beim Arm, zwang ihn, sich umzudrehen, und zeigte auf den Bürgersteig. Trotz der Hitze bekam er eine Gänsehaut.
    »Sieh genau hin! Da haben sie Manu niedergeschossen. Ich wette, du warst nicht dabei!«
    Ich zerrte ihn in die Kneipe. Vier Alte spielten Karten und tranken Pfefferminzlimonade. Drinnen war es wesentlich kühler als draußen. Ich war seit Manus Tod nicht mehr hier gewesen. Aber Félix erwähnte es nicht. So, wie er mir die Hand schüttelte, freute er sich, mich wieder zu sehen.
    »He, Céleste serviert immer noch ihr Aioli.«
    »Ich komme mal wieder vorbei. Sag es ihr bitte.«
    An Célestes Aioli kam nur Honorine heran. Der Stockfisch war genau richtig gewässert. Das ist selten. Die meisten weichen ihn zu stark ein, in nur zwei Wasserbädern. Mehrere Bäder sind besser. Einmal acht Stunden, dann dreimal zwei Stunden. Es empfiehlt sich auch, ihn mit Fenchel und Pfefferkörnern in siedendes Wasser zu tauchen. Céleste benutzte Olivenöl, um ihr Aioli »anzurühren«. Aus der Ölmühle von Rossi, in Mouriès. Zum Kochen oder für Salate verwendete sie andere Marken. Öle

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