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Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Titel: Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Claude Izzo
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dieses Porträt nicht. So sah ich nicht aus. Und niemand sonst. Ich sagte ihr, sie sei ein naives kleines Mäd - chen. Das amüsierte sie zuerst, dann ärgerte es sie. Wir stritten uns zum ersten Mal. Ein Streit aus Begehren.
    Auf dem Rückweg hatten wir das Thema nicht mehr angeschnitten. Wir kehrten schweigend zurück. Wir hatten dieses Begehren des anderen jeder für sich irgendwo in uns weggesteckt. Eines Tages mussten wir darauf antworten, sagte ich mir, aber nicht heute. Die Freude am Zusammensein, am gegenseitigen Entdecken war wichtiger. Das wussten wir. Der Rest konnte warten. Kurz bevor wir zum Auto kamen, ließ sie ihre Hand in meine gleiten. Leila war ein atemberaubendes Mädchen. Bevor wir uns an jenem Sonntag verabschiedeten, küsste sie mich auf die Wange. »Bist ein feiner Kerl, Fabio.«
    Leila lächelte mich an.
    Schließlich traf ich sie wieder. Am anderen Ufer des Todes. Jetzt waren ihre Mörder und Vergewaltiger krepiert. Die Ameisen konnten über das Aas herfallen. Leila war nicht mehr verletzlich. Sie ruhte in meinem Herzen, und ich trug sie durch diese Welt, die allen Menschen jeden Morgen eine Chance gibt.
    Ja, sicher hatte sie in diesem Augenblick Driss zugelächelt. Ich hätte Toni auch umgebracht, das wusste ich. Um den Horror auszulöschen. Mit den eigenen Händen, wie Driss. Genauso blind. Bis das, was er getan hatte, ihm zum Hals herauskam und er daran erstickte.
    Toni pisste sich voll. Driss öffnete die Augen, aber ohne seinen Griff zu lockern. Da musste Toni die Hölle gesehen haben. Ein schwarzes Loch. Er wehrte sich ein letztes Mal. Ein Aufbäumen. Der letzte Atemzug. Dann rührte er sich nicht mehr.
    Karine hörte auf zu heulen. Driss erhob sich. Seine Arme hingen schlaff über Tonis Leiche. Keiner wagte, sich zu bewegen oder zu sprechen. Der Hass war weg. Nur Leere. Ihnen war nicht einmal klar, was Driss getan hatte. Was sie zugelassen hatten. Sie konnten nicht zugeben, dass sie soeben einen Menschen getötet hatten.
    »Ist er tot?«, hatte Driss schließlich gefragt.
    Niemand antwortete. Driss wurde schlecht, und er rannte aufs Klo. Das war vor einer Stunde gewesen, und seither kippten sie Whisky und kifften. Ab und zu warfen sie einen Blick auf die Leiche. Kader stand auf, öffnete die Balkontür und stieß Tonis Leiche mit dem Fuß hinaus. Ihn nur nicht mehr sehen. Und er schloss die Tür wieder.
    Jedesmal, wenn sie wieder beschlossen hatten, mich jetzt anzurufen, schlug jemand eine andere Lösung vor. In jedem Fall muss t en sie die Leiche berühren. Und das trauten sie sich nicht. Als die Whiskyflasche drei Viertel leer und die Köpfe voller Shit waren, zogen sie in Erwägung, die Bude in Brand zu setzen und abzuhauen Ein wahnsinniges, befreiendes Lachen überkam sie. In dem Moment hatte ich an die Tür geklopft.
    Das Telefon klingelte. Wie in einem schlechten Roman. Niemand rührte sich. Sie sahen mich an, warteten auf eine Entscheidung. Im Schlafzimmer war Driss verstummt.
    »Nehmen wir nicht ab?«, fragte Kader.
    Ich nahm hastig ab, genervt.
    »Toni?«
    Eine Frauenstimme. Sinnlich, rau und heiß. Erregend.
    »Wer ist da?«
    Schweigen. Ich hörte Besteck und Geschirr klappern. Leise Musik im Hintergrund. Ein Restaurant. Das Restanques? Vielleicht war es Simone.
    »Hallo.« Eine Männerstimme mit leicht korsischem Akzent. Emile? Joseph? »Ist Toni da? Oder seine Schwester?«
    »Soll ich ihnen etwas ausrichten?«
    Es wurde aufgelegt.
    »Hat Karine Toni heute Abend angerufen?«
    »Ja«, antwortete Yasmine. »Dass er kommen sollte. Es sei dringend. Sie hat eine Nummer, unter der sie ihn erreichen kann. Sie hinterließ eine Nachricht. Er rief zurück.«
    Ich ging ins Schlafzimmer. Sie lagen eng beieinander. Karine weinte nicht mehr. Driss war eingeschlafen. Er hielt ihre Hand. Sie waren rührend. Hoffentlich hielt ihre Liebe ein Leben lang an.
    Karine hatte die Augen weit offen. Ein verstörter Blick. Sie war noch in der Hölle. Ich weiß nicht mehr, in welchem Chanson Barbara sagte: Ich möchte lieber in der Hölle leben als im Paradies sterben. Oder so ähnlich. Was wünschte sich Karine in diesem Moment?
    »Was war das für eine Nummer, unter der du Toni vorhin angerufen hast?«, fragte ich leise.
    »Wer hat angerufen?«
    »Ein Kumpel von deinem Bruder, glaube ich.«
    Angst verschleierte ihren Blick. »Kommen sie?«
    »Keine Sorge«, sagte ich und schüttelte den Kopf. »Kennst du sie?«
    »Zwei. Einer mit einem fiesen Gesicht, der andere groß und breit - schultrig. Wie vom

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