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Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Titel: Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Claude Izzo
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gut.«
    »Ich versteh das alles nicht.«
    Die Wahrheit würden wir nie erfahren. Wir konnten nur Hypothesen aufstellen. Die Wahrheit war der blanke Horror. Ich ging davon aus, dass Toni mit Leila in Aix gesehen worden war. Von einem aus der Bande. Von einem der Schlimmsten, meiner Meinung nach. Morvan. Wepler. Den fanatischen Verteidigern der weißen Rasse. Ethnische Säuberungen. Endlösungen. Und dass sie sich für Toni eine Mutprobe ausgedacht hatten. Wie eine Initiation. Um ihm die höheren Weihen zu verleihen.
    Bei den Fallschirmjägern liebten sie das. Diese irren Aktionen. Einen Typ aus dem Nebenzimmer ficken. In eine Legionärskneipe einfallen, einen umlegen und seine Dienstmütze als Trophäe mit - nehmen. Sich einen Jungen vornehmen, der nach Tunte roch. Sie hatten einen Pakt mit dem Tod unterschrieben. Das Leben war nichts wert. Weder ihr eigenes noch das der anderen. In Dschibuti hatte ich die völlig Durchgeknallten erlebt. Nach ihrem Gang durch die Viertel an der alten Place Rimbaud ließen sie die Huren tot liegen. Mit aufgeschnittener Kehle. Manchmal verstümmelt.
    Hier, in der Großstadt Marseille, ging es jetzt zu wie in unseren alten Kolonien. Hier wie dort gab es kein Leben. Nur den Tod. Und Sex, mit Gewalt. Sich mächtig vorkommen, aus Hass auf die eigene Bedeutungslosigkeit. Einem Phantom nachjagen. Die unbekannten Soldaten der Zukunft. In Afrika, Asien, im Mittleren Osten. Oder nachmittags um zwei bei uns. Dort, wo das Abendland in Gefahr war. Überall, wo unreine Elemente sich erhoben, u m unsere Frauen zu vögeln. Weiß und palmoliv. Die Rasse zu entehren.
    Das hatten sie wohl von Toni verlangt. Ihnen die Araberin zu bringen. Und sie flachzulegen. Einer nach dem anderen kam dran. Toni zuerst. Er war sicher der Erste. Mit seiner Begierde. Und seiner Wut, zurückgewiesen worden zu sein. Eine Frau ist nur eine Fotze. Allesamt Huren. Arabersau mit Hurenarsch. Wie diese Juden - schlampen. Bei den Jüdinnen ist der Arsch runder, höher. Bei den Araberinnen sitzt er ein bisschen tief, nicht? Wie bei den Negerweibern. Negerärsche, ah! Sprich nicht davon! Die sind eine Versetzung wert.
    Danach kamen die beiden anderen dran. Nicht Morvan oder Wepler. Nein, die beiden anderen. Die Nazi-Aspiranten. Die auf dem Straßenpflaster am Opernplatz krepiert sind. Zweifellos waren sie nicht auf der Höhe, als sie auf Leila ballern sollten. Araberinnen ficken war eine Sache. Sie umzubringen, ohne dass der Arm zittert, war sicher nicht ganz so einfach.
    Morvan und Wepler hatten zugeschaut. So stellte ich mir das vor. Wie Zeremonienmeister. Hatten sie sich während der Vorstellung einen runtergeholt? Oder hatten sie sich danach gepaart, in Erinnerung an die alten SS-Liebschaften. Männerliebe. Kriegerliebe. Und wann hatten sie beschlossen, dass derjenige diese Nacht überleben würde, dessen Kugel am dichtesten an Leilas Herz saß?
    Hatte Toni Mitleid mit Leila gehabt, als er in sie eindrang? Zumindest eine Sekunde. Bevor er selbst im Schrecken versank. Unwiderruflich.
    Ich erkannte Simones Stimme. Und sie erkannte meine. Die Num - mer, unter der Karine Nachrichten für ihren Bruder hinterließ, war tatsächlich das Restanques. Dort hatte sie ihn heute Abend ange - rufen.
    »Gib mir Émile . Oder Joseph.«
    Immer noch die ekelhafte Musik. Caravelli und seine magischen Violinen oder eine ähnliche Geschmacklosigkeit. Aber weniger Geschirr-und Besteckgeklapper. Das Restanques leerte sich, es war zehn nach Mitternacht.
    » Émile «, sagte eine Stimme. Die von vorhin.
    »Montale. Nicht nötig, dir eine Zeichnung zu machen. Du weißt, wer ich bin.«
    »Ich höre.«
    »Ich komme. Ich will mit dir reden. Waffenstillstand. Ich will dir was vorschlagen.«
    Ich hatte keinen Plan. Außer sie alle umzubringen. Aber das war nur eine Utopie, die ich brauchte, um durchzuhalten. Zu tun, was zu tun war. Vorwärts kommen. Überleben. Noch eine Stunde. Ein Jahr - hundert.
    »Allein?«
    »Ich habe noch keine Armee aufgestellt.«
    »Toni?«
    »Er hat ins Gras gebissen.«
    »Ich hoffe für dich, dass der Vorschlag gut ist. Denn für uns bist du bereits ein toter Mann.«
    »Angeber. Wenn ich tot bin, seid ihr alle dran. Ich hab die Geschichte an eine Zeitung verkauft.«
    »Kein Schleimscheißer wird wagen, das zu drucken.«
    »Hier nicht. In Paris schon. Wenn ich bis zwei Uhr nicht anrufe, kommt es in die letzte Ausgabe.«
    »Du hast nur eine Geschichte. Keine Beweise.«
    »Ich habe alles. Alles, was Manu bei Brunel eingesackt hat.

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